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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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gekommen ist.
    In der Zwischenzeit muss ich mich anderen Aufgaben widmen. Zum Beispiel der Chocolaterie . Weihnachten nähert sich mit Riesenschritten, und es ist allerhöchste Eisenbahn, die Kundschaft noch auszubauen, in Erfahrung zu bringen, wer böse war und wer brav, unsere Winterware zu testen, zu kosten – und vielleicht ein paar eigene Spezialitäten zu entwickeln.
    Schokolade kann als Medium für sehr vieles dienen. Unsere selbst gemachten Trüffel – immer noch ein Renner – werden in einer Mischung aus Kakaopulver, Puderzucker und verschiedenen anderen Substanzen gewälzt, die meine Mutter garantiert nichtgebilligt hätte, die aber dafür sorgen, dass die Kunden nicht nur zufrieden sind, sondern sich erfrischt und gestärkt fühlen und Nachschub verlangen. Allein heute haben wir sechsunddreißig Schachteln verkauft und Bestellungen für zwölf weitere notiert. Wenn sich der Trend fortsetzt, kommen wir bis Weihnachten auf hundert Schachteln pro Tag.
    Thierry kam um fünf vorbei, um über die Fortschritte bei den Renovierungsarbeiten zu berichten. Er schien etwas irritiert, weil im Laden so viel los war. Das ist er nicht gewohnt. Und ich würde vermuten, dass es ihm nicht so ganz gefiel.
    »Es geht da drinnen ja zu wie in einer Fabrik«, bemerkte er mit einer Kopfbewegung in Richtung Küche, wo Vianne gerade Mendiants du roi machte – dicke Stücke kandierte Orange, in dunkle Schokolade getunkt und mit essbaren Goldblättchen bestreut –, so hübsch, dass es fast schade ist, sie zu essen, und natürlich perfekt für die Jahreszeit. »Macht sie nicht mal ’ne Pause?«
    Ich lächelte. »Ach, Sie wissen doch, das Weihnachtsgeschäft.«
    »Ich bin froh, wenn das alles endlich rum ist«, knurrte er. »Ich musste mich noch nie mit einem Job so beeilen. Trotzdem lohnt es sich – vorausgesetzt, ich werde rechtzeitig fertig.«
    Ich merkte, wie Anouk, die mit Rosette am Tisch saß, ihm einen fragenden Blick zuwarf.
    »Keine Bange«, sagte er. »Versprochen ist versprochen. Es wird das beste Weihnachtsfest aller Zeiten. Nur wir vier, in der Rue de la Croix. Wir können in die Mitternachtsmesse in Sacré Cœur gehen. Das wäre doch super, was?«
    »Kann sein.« Sie klang betont neutral.
    Ich merkte, dass er einen ungeduldigen Seufzer unterdrücken musste. Anouk kann ganz schön nervig sein, und ihr Widerstand gegen Thierry ist mit Händen zu greifen. Vielleicht ist es wegen Roux, der zwar immer noch nicht wieder hier war, aber in ihrem Denken doch sehr präsent ist. Ich sehe ihn natürlich regelmäßig – zweimal habe ich ihn zufällig auf der Butte getroffen, einmal, wie er die Place du Tertre überquerte, dann, als er die Stufen bei der Seilbahn hinuntereilte, eine Wollmütze auf dem Kopf, die seineroten Haare verdeckte, als hätte er Angst davor, erkannt zu werden.
    Ich habe mich mit ihm auch in seiner Pension verabredet, um zu sehen, wie es ihm geht, um ihm ein paar Lügengeschichten aufzutischen, um seine Schecks auszuzahlen und um mich zu vergewissern, dass er weiterhin brav und folgsam ist. Er wird allmählich ungeduldig, verständlicherweise, und es kränkt ihn, dass Vianne immer noch nicht gesagt hat, er solle kommen. Außerdem arbeitet er die ganze Zeit für Thierry, morgens um acht fängt er an, und oft ist er erst spätabends fertig, und wenn er das Haus in der Rue de la Croix verlässt, ist er manchmal sogar zu müde, um noch etwas zu essen; dann geht er direkt in seine Pension und schläft wie ein Toter.
    Was Vianne betrifft – ich spüre, dass sie sich Sorgen macht. Und dass sie enttäuscht ist. Sie war noch nie in der Rue de la Croix. Anouk hat ebenfalls die strikte Anweisung, nicht dort hinzugehen. Wenn Roux sie sehen möchte, wird er kommen, sagt Vianne, Wenn nicht – auch gut. Es ist seine Entscheidung.
    Thierry sah noch ungeduldiger aus als sonst. Er ging in die Küche, wo Vianne die Mendiants sorgfältig auf ein Stück Backpapier legte. Ich fand, dass die Art, wie er die Tür hinter sich schloss, irgendwie etwas Hinterhältiges hatte. Und seine Farben waren kräftiger als sonst, mit nervösen Rot- und Violetttönen am Rand.
    »Ich habe dich diese Woche kaum gesehen.« Weil er eine so tragende Stimme hat, konnte ich vorn im Laden jedes Wort verstehen. Bei Vianne ist es schwieriger. Leises Protestgemurmel vielleicht? Dann Schritte, ein kurzes Gerangel. Lautes Männerlachen. »Komm schon, Vianne. Ein Kuss. Du fehlst mir.«
    Wieder Gemurmel, aber dann wird ihre Stimme lauter:

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