Himmlische Wunder
habe ich Nicos Puppe gemacht. Ich musste sie ausstopfen, damit sie echt aussieht. Für seine Haare habe ich das braune Zeug genommen, mit dem Zozies alter Lehnsessel ausgestopft ist, der oben in ihrem Zimmer steht. Dann musste ich ihm ein Zeichen geben – ich habe mich für Eins-Jaguar entschieden, das Zeichen für Mut –, und dann musste ich ihm ein Geheimnis ins Ohr flüstern, also sagte ich: Nico, du sollst dein Schicksal selbst in die Hand nehmen – und das sollte er ja wirklich, stimmt’s? –, und ich werde ihn hinter eine der Türen im Adventshaus stellen und warten, bis er vorbeikommt.
Und dann ist da noch Alice, die genau das Gegenteil von ihm ist: Sie musste ich dicker machen, als sie in Wirklichkeit ist, weil Wäscheklammerpuppen gar nicht so dünn sein können wie sie. Ich habe versucht, an der Seite ein bisschen Holz wegzuschnitzen, was auch ganz gut ging, bis ich mich mit dem Taschenmesser in den Finger geschnitten habe und Zozie mich verbinden musste. Dannmachte ich Alice ein hübsches kleines Kleid aus einem alten Stück Spitze und flüsterte: Alice, du bist nicht hässlich, und du musst mehr essen. Ich gab ihr das Fischzeichen von Chantico, der Göttin des Herdes und der Vulkane, und stellte sie neben Nico in das Adventshaus.
Der nächste ist Thierry, in grauem Flanell und mit einem eingewickelten Stückchen Zucker, das ich angemalt habe, damit es aussieht wie sein Handy. Ich habe es nicht geschafft, ein Haar von ihm zu erwischen, also habe ich stattdessen ein Blütenblatt von den Rosen genommen, die er Maman geschenkt hat. Hoffentlich funktioniert das. Ich will natürlich auch nicht, dass ihm etwas Schlimmes zustößt. Ich möchte nur, dass er wegbleibt.
Deshalb habe ich ihm das Zeichen von Eins-Affe gegeben und ihn draußen vor das Adventshaus gestellt, mit Mantel und Schal (die ich aus braunem Filz gemacht habe), falls es da draußen kalt ist.
Und dann ist da natürlich noch Roux. Seine Puppe ist noch nicht fertig, weil ich etwas brauche, was ihm gehört, und ich habe nichts – nicht einmal einen Faden. Aber die Puppe sieht genau aus wie er, finde ich, ganz in Schwarz, und als Haare habe ich ihm orangefarbenes Wuschelzeug auf den Kopf geklebt. Ich habe ihm den Mondhasen und den Wind als Zeichen gegeben und habe geflüstert Roux, geh nicht weg , aber bis jetzt haben wir ihn immer noch nicht wiedergesehen.
Was nicht so wichtig ist. Ich weiß ja, wo er steckt. Er arbeitet für Thierry in der Rue de la Croix. Ich habe keine Ahnung, wieso er nie hierher kommt und warum Maman ihn nicht sehen will. Ich kann mir noch nicht einmal erklären, warum Thierry ihn so hasst.
Heute habe ich mit Zozie darüber geredet. Wir saßen wie immer bei ihr oben. Rosette war auch dabei, und wir haben ein Spiel gespielt – ein ziemlich lautes, albernes Spiel. Rosette fand es ganz toll und lachte wie verrückt: Zozie war ein wildes Pferd, und Rosette ritt auf ihrem Rücken, und dann sträubten sich plötzlich meine Nackenhaare, ohne jeden Grund, und als ich hochschaute, sah icheinen gelben Affen auf dem Kaminsims sitzen, und ich habe ihn so deutlich gesehen, wie ich manchmal Pantoufle sehe.
»Zozie«, sagte ich.
Sie drehte sich um und schien gar nicht weiter verwundert; wie sich herausstellt, hat sie Bam schon öfter bemerkt.
»Du hast eine sehr clevere kleine Schwester«, sagte sie und lächelte Rosette zu, die inzwischen von ihrem Rücken heruntergeklettert war und mit den Pailletten an einem der Kissen spielte. »Ihr seht euch zwar überhaupt nicht ähnlich, aber ich glaube, das Aussehen ist nicht das Entscheidende.«
Ich nahm Rosette in den Arm und gab ihr einen Kuss. Manchmal erinnert sie mich an eine knuddelige Stoffpuppe oder an einen Hasen mit Schlabberohren, weil sie so weich ist. »Na ja, wir haben ja auch nicht denselben Vater.«
Zozie lächelte. »Das habe ich mir schon fast gedacht.«
»Aber das ist egal«, fügte ich noch hinzu. »Maman sagt, man sucht sich seine Familie selbst aus.«
»Sagt sie das?«
Ich nickte. »Das ist viel besser. Unsere Familie kann jeder sein. Die Geburt ist nicht so wichtig, sagt Maman. Es geht darum, was man für die anderen empfindet.«
»Heißt das, ich könnte auch zur Familie gehören?«
Ich lächelte sie an. »Tust du doch sowieso.«
Sie musste lachen. »Als deine böse Tante. Die dich mit Zauberei und Schuhen verdirbt.«
Das brachte mich erst richtig in Schwung. Und Rosette machte mit. Und über uns tanzte der gelbe Affe und sorgte dafür, dass
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