Hingabe
wenn alle, die du kennst, denken, ich sei eine …« – ich bringe das Wort
Mörderin
nicht über die Lippen – »Kriminelle?«
»Niemand wird davon erfahren.«
»Sie haben Chantal bereits erzählt, dass es eine Ermittlung in den Staaten gibt. Bitte. Bring sie dazu zu gehen.«
»Ich muss es wissen, wenn sie dich irgendwohin bringen, Sara. Und ich bin fast da. Ich lege jetzt auf. Sprich über nichts mit ihnen.« Er legt auf, bevor ich noch etwas sagen kann.
Ich kneife die Augen zusammen und hole tief Atem, bevor ich das Telefon in meine Handtasche gleiten lasse und mich den Männern auf der anderen Seite des Raums zuwende. Ich überwinde die Entfernung und bleibe vor dem Schreibtisch stehen. »Monsieur …?«
»Bernard«, ergänzt er.
»Monsieur Bernard«, wiederhole ich. »Können Sie mir den Weg zur Toilette beschreiben?«
Er mustert mich einen Moment lang. »Kann das nicht warten?«
Sein Ton grenzt an Unhöflichkeit, und ich antworte mit honig-süßer Unschuld. »Ich fühle mich ziemlich schwummerig. Ich fürchte, ich habe irgendetwas gegessen, das nicht gut war. Tatar. Ich dachte, ich erspare Ihrem Schreibtisch eine Schweinerei.«
Er runzelt die Stirn und spricht mit einem Mann über seine Schulter hinweg, dann richtet er das Wort wieder an mich. »Monsieur Dupont wird Sie begleiten.«
Bin ich so kriminell, dass sie mich begleiten müssen? Der Mann nähert sich mir. Er ist Anfang fünfzig, kahlköpfig und hat ein hartes rundes Gesicht.
Chris’ Worte von gestern Nacht gehen mir durch den Kopf.
Wir nehmen die Probleme in Angriff, nicht sie uns. Und wir tun es zusammen.
Ich atme tief ein.
Wir tun es zusammen.
Und dann wird mir plötzlich klar, dass dieses »zusammen« nicht bedeutet, dass ich Chris mein Leben überantworte. Es bedeutet, es mit ihm zu teilen. Im Gegensatz zu den anderen Männern in meinem Leben versucht Chris, mich stärker zu machen. Es ist nicht besonders stark, mich in der Toilette zu verstecken, bis er eintrifft.
Ich richte mich auf, recke das Kinn vor, und während das unbehagliche Gefühl in meinem Bauch bleibt,
bin
ich stärker. Ich gehe zu dem Stuhl und setze mich. Überraschung blitzt auf seinem Gesicht auf. »Sie sind bereit, unsere Fragen zu beantworten?«
»Nein. Ich bin ganz und gar nicht bereit. Ich warte auf einen Anruf von meinem Anwalt.« Ich beuge mich vor und lege die Hand auf den Schreibtisch. Meine Stimme ist jetzt genauso fest wie seine. »Und Monsieur Bernard, wenn Sie mich bei irgendjemandem verleumden, vor allem bei meinen Freunden draußen, werden Sie mich viel besser kennenlernen, als Ihnen lieb ist.«
Die Überraschung, die er Sekunden zuvor gezeigt hat, verwandelt sich jetzt in eine verblüffte Miene. Sie passt zu dem, was ich empfinde. Woher ist das gekommen? Er legt die Stirn in Falten. »Sie sind ziemlich trotzig für eine Frau, die des Mordes angeklagt wird.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Angeklagt von eben der Frau, die vor zwei Tagen versucht hat,
mich
zu töten – also ja, Sie können darauf wetten, dass ich trotzig bin.« Und warum war ich das vorher nicht? Ich bin unschuldig. Ich bin ein Opfer. Ich bin fuchsteufelswild, dass man mir Fragen stellt.
»Warum sind Sie dann aus dem Land geflohen?«
»Ich bin nicht geflohen«, erkläre ich gelassen.
»Sie ist mit mir gekommen.«
Ich drehe mich um und sehe Chris in der Tür stehen, sein Haar ist nass, und Wassertröpfchen sprenkeln die schwarze Harley-Jacke, die er mit der gleichen Lässigkeit trägt, mit der er Macht ausstrahlt. Alle Anwesenden im Raum scheinen gleichzeitig nach Luft zu schnappen und warten darauf, was als Nächstes kommen wird. Warten auf ihn.
Seine Aufmerksamkeit ist auf mich fixiert, und es ist, als sei niemand sonst im Raum. Er sieht
mich
an. Er vernachlässigt
sie
.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich in der Nähe bin, Baby«, sagt er gedehnt, anscheinend unbeeindruckt von der Situation. Er kommt in den Raum geschlendert, und während er ganz lässig und selbstsicher wirkt, liegt direkt unter seiner Oberfläche etwas Tödliches, Urtümliches. Ich mag ja versuchen, die Kontrolle über mich zu gewinnen und es auch schaffen, aber es ist wunderschön zu beobachten, wie Chris einfach Chris ist.
Er bleibt neben meinem Stuhl stehen und streckt eine Hand aus. Seine Augen sind sanft, doch irgendwie glitzern in ihnen trotzdem Härte und pure Dominanz. Ich halte seinem Blick stand, hänge mir die Handtasche über die Schulter und schiebe meine Hand in seine. Ein warmes Kribbeln
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