Hingabe
Mann an der Tür: »Wo ist die Toilette?«
Er zeigt mit dem Finger in eine Richtung und sagt etwas, und schon sind wir wieder in Bewegung, meine Hand immer noch fest in der von Chris. Das Adrenalin, das mich auf unsere unmittelbar bevorstehende Auseinandersetzung vorbereitet, ist alles, was meine schmerzenden Füße und meinen durchgefrorenen Körper in Bewegung hält, als wir eine Treppe zu einem winzigen Flur mit einer Tür am Ende hinunterlaufen.
Chris drückt die Toilettentür auf und zerrt mich mit sich. Eine Sekunde später bin ich in einem Raum, der kaum groß genug für eine Person ist, und Chris verschließt die Tür. Eine weitere Sekunde später, und ich werde gegen die Wand gedrückt. Ausnahmsweise einmal presst er sich an mich, und ich bin nicht feucht vor Erregung.
»Welche Silbe von ›warte‹ hast du nicht verstanden?«, faucht er mich an.
»Irgendjemand musste Hilfe holen, falls du in Schwierigkeiten geraten wärest.«
»Ich habe gesagt, warte, Sara, und ich habe verdammt noch mal warte gemeint. Du musst hören.«
»Chris, ich …«
»Treib es nicht zu weit, Baby«, warnt er, und Wasser rinnt über sein zorniges Gesicht. »Das Resultat würde dir nicht gefallen. Und wenn du denkst, du hast das alles schon mal gehört, denk noch einmal gründlich darüber nach. Das ist nämlich Neuland.«
Ich zittere innerlich und äußerlich und nicht vor Kälte und weil ich durchnässt bin. »Bedroh mich nicht.«
»Fuck, dann gib mir keinen Grund dafür, so verdammt sauer zu sein. Nichts ist es wert, dass du deine Sicherheit riskierst.«
»Du bist es wert!«
Seine Lippen werden schmal. »Du wirst keine Chance haben, so etwas wie heute zu wiederholen. Es reicht jetzt. Wir kehren in die Staaten zurück.«
»Was?« Das eine Wort ist alles, was ich zuwege bringen kann, alles, was durch den nagenden Schmerz in meinem Herzen zu dringen vermag.
»Stephen sagte, eine Woche in den Staaten, und wir können dem Trauerspiel mit Ava ein Ende machen.«
Wir. Er sagt »wir«, und einen Moment lang klammere ich mich an die Bedeutung, aber nur für einen Moment. Wenn ich jetzt zurückkehre, wird er mich ausschließen. Er weiß es, und ich weiß es auch. »Hat Stephen gesagt, dass ich zurückkommen müsste?«
»Er hat gesagt, es wäre eine gute Idee. Er wird sich um die Passgeschichte kümmern.«
Er schließt mich aus, bevor ich ihm wehtun kann. »Hat er gesagt, ich
müsste
zurückkehren?«, frage ich noch einmal, außerstande, das Beben in meiner Stimme zu kontrollieren.
Er stützt die Hand gegen die Wand und stemmt seinen Körper weg von meinem. Sein Schweigen ist anklagend, und meine Seele rutscht einen Wasserfall hinab in das eisige Wasser von
Nie mehr.
Ich versinke und muss fliehen, bevor ich ertrinke. Ich versuche mich unter Chris’ Arm hindurchzuducken.
Er hält mich mit einem Bein zurück. »Ich versuche, dich zu beschützen.«
»Hör auf, Chris. Ich habe diese Entschuldigung satt. Wenn du Schluss machen willst, dann sag es auch. Lass mich vorbei.«
Er steht da wie eine dicke, unverrückbare Mauer, sein Gesichtsausdruck ist aufreizend undurchschaubar. »Dieser Mann vorhin wurde engagiert, dir zu folgen, in der Hoffnung, Ella zu finden.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. »Was? Warum? Von wem?«
»Ella ist auf ein falsches Radar geraten.«
»Wessen Radar?«
»Garner Neuville, ein reicher, sehr mächtiger Mann, der nichts als Ärger bedeutet. Ein Mann, in dessen Nähe ich dich nicht sehen will.«
»Warum sollte er nach Ella suchen?«
»Tja. Wo immer sie da hineingeraten ist, es ist ein ziemlich großes Ding, größer jedenfalls als eine Heirat mit irgendeinem kleinen amerikanischen Arzt. Ich will dich aus Paris weghaben.«
Mir ist, als ob eisige Finger meinen Rücken emporkriechen. Ich bin nicht besser dran als in jener Nacht, in der ich auf Ellas Bett gesessen und ihr die stumme Nachricht gesandt habe, nach Hause zu kommen. In jener Nacht, in der ich mir gewünscht habe, Chris wäre bei mir. Jetzt sind beide unendlich weit weg, und ich habe keine Ahnung, wie ich sie finden kann.
»Aber du schickst mich nicht wegen Ella in die Staaten zurück, nicht wahr? Es geht um deine Angst, dass ich dir wegsterben könnte.« Er reißt sich von mir los, und es ist, als würde eine Tür zuschlagen. Ich zucke beinahe zusammen.
Aber ich mache weiter, dränge weiter. Ich bin besorgt um Ella. Ich bin wütend auf Chris. Ich bin verletzt. »Nun, weißt du, wovor ich Angst habe?
Davor
. Vor diesem Moment, in dem du
Weitere Kostenlose Bücher