Hingabe
Frederick. Würden Sie heute am Checkpoint Charlie vorbeifahren? Ich möchte wenigstens dort ein Stück Mauergeschichte sehen. Auch wenn ich in nächster Zeit sicher meine neue Heimatstadt noch besser erkunden werde.“
„Sehr gerne. Der Umweg wird insgesamt eine halbe Stunde ausmachen. Aber dann bekommen Sie eine erste schöne Stadtführung.“
Frederick hatte nicht übertrieben. Seine Route erwies sich als kleine Stadtführung. Frederick konnte auch zu den Orten und Gebäuden etwas erzählen. Er sprach hochdeutsch mit einem leichten Berliner Dialekt, sehr gewählt und charmant. Dass er in Berlin aufgewachsen war, konnte er aber nicht ganz verleugnen. Lena fühlte sich angenehm unterhalten. Die Zeit verging wie im Flug und die Stadt Berlin kam ihr näher. Sie begann, sich still und heimlich wieder ein Stück wohler zu fühlen. Dafür sorgten die Firma, die Menschen, die für die Firma arbeiteten, Herr Steiner, Frederick und alles, was drum herum arrangiert worden war. Herr Dr. von Hagen hatte auch seine Finger mit im Spiel.
„In zehn Minuten werden wir wieder am Hyatt sein. Wenn Sie morgen nicht Taxi fahren wollen, wäre es mir ein Vergnügen, Sie zum Flughafen zu bringen.“
„Sehr gerne, Frederick. Es wäre auch mir ein Vergnügen.“
Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Lena sah aus dem Fenster und überlegte sich, wie sie den Rest des Abends wohl gestalten würde.
Schließlich kamen sie am Hotel an.
Lena stieg aus und bedankte sich. Ihr Dank kam wirklich von Herzen.
Sie betrat die Lobby und ging zur Rezeption.
„Die 442 bitte.“
„Sehr wohl, meine Dame.“
Lena nahm ihre Schlüsselkarte und wollte Richtung Fahrstuhl.
„Einen kleinen Moment bitte, Frau Zehner. Ich habe hier einen Umschlag für Sie. Er ist heute Nachmittag abgegeben worden.“
„Von wem?“
„Es tut mir leid.“
Der Mann am Empfang zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Ich habe erst seit einer Stunde Dienst. Ich kann mich gern bei den Kollegen erkundigen.“
„Nein, vielen Dank. Das ist nicht notwendig. Es war nur so eine Idee, dass sie es wüssten.“
„Einen schönen Abend wünsche ich, Frau Zehner.“
Lena nahm den Umschlag und ging zum Fahrstuhl. Sie lachte ein wenig, als sie dort in den Spiegel sah.
„Ich weiß schon, von wem der ist. Will ich denn wissen, wer es war? Ja und nein.“
In ihrem Zimmer angekommen, wählte sie als Erstes die Nummer von Marcus. Es klingelte, aber er nahm nicht ab. Kein AB, Lena schaute auch auf die Uhr. Zu dieser Zeit hatte er keine festen Termine. Die Frage war, konnte oder wollte er sich nicht melden? Hatte er von irgendetwas Wind bekommen? Aber selbst das wäre nicht seine Art gewesen. So einfach nicht ans Telefon zu gehen. ‚Wenn er sich bis heute Abend nicht gemeldet hat, rufe ich bei seinen Eltern an. Oder bei der Polizei.‘
Sie streifte ihre Schuhe von den Füßen und goss sich ein Wasser ein. Sie war durstig. Der Tag war lang gewesen und voller Ereignisse. Das Ereignis-Karussell der letzten Tage war nicht zur Ruhe gekommen. Im Gegenteil. Lena hatte gerade das Gefühl, als würde es sich noch schneller drehen.
‚Ich muss wieder Boden unter den Füßen haben. Eine Stütze.‘
Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick auf den braunen DIN-A4-Umschlag. M.
Er hatte damit begonnen, ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Aber auch sie jedes Mal aufgefangen. Aber würde dieser Umschlag die Karussellfahrt beschleunigenoder sie erden?
Lena ging zum Tisch, auf den sie den Umschlag deponiert hatte. Sie nahm ihn, wog ihn ein paar Sekunden in der Hand, als wollte sie abwägen, was wohl darin stehen würde.
Sie lachte.
‚Als ob ich eine Wahl habe. Natürlich mache ich ihn auf. Ich bin neugierig und ungeduldig. Und ich bin begierig, zu wissen, was er von mir will.‘
Vorsichtig begann sie, den Umschlag zu öffnen.
Ein Brief. Und ein zweiter kleiner Umschlag.
Sie öffnete den kleinen.
„Lena,
Ich habe eine Aufgabe für dich heute Abend.
Die Anweisungen stehen in dem zweiten Brief.
Lies ihn dir genau durch und vergesse nichts davon.
Ich möchte, dass du genau das tust, was dort steht.
Ich vertraue dir, dass du es tust.
Für mich.
M.“
‚Das klingt ja sehr geheimnisvoll. Mal schauen, was in dem Brief mit den Aufgaben steht.‘
Sie öffnete den kleinen Umschlag.
„Lena,
Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir.
Hat dir eine der Wohnungen gefallen?
Du sollst dich ja in Berlin wohlfühlen.
Aber jetzt zur Aufgabe.
Lass dir ein Bad ein.
Erhole dich.
Entspanne
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