Hingebungsvoll
des Glases. „Kann ich noch einen haben?“
„Nur, wenn du vorher zwei Gläser Wasser trinkst. Und selbst dann bekommst du nur einen weiteren Drink.“
Mit einer empörten Miene zog sie die Nase kraus – und war damit in seinen Augen einfach nur bezaubernd. „Warum das denn?“, wollte sie von ihm wissen.
„Weil ich ernst meinte, was ich gerade gesagt habe. Es dauert noch ein Weilchen, bis ich Feierabend habe. Bis dahin wärest du voll bis unter die Dachrinne und würdest das Beste verpassen.“
Interesse und Verlangen glommen in ihren Augen auf. „Ach ja?“
Er nickte.
„Dann hätte ich wohl gerne ein Wasser.“ Sie stützte ihr Kinn auf der Hand ab und betrachtete ihn. Ihr Blick heftete sich auf seine Lippen und sie murmelte kaum hörbar: „Ich liebe dominante Männer.“
Als er sich zum Kühlschrank drehte, konnte er sich das selbstzufriedene Grinsen nicht länger verkneifen. Sie würden sich wunderbar verstehen.
Edgar sah die ältere Dame sofort, als er auf den Parkplatz des Aviditas fuhr. Sie hockte auf einem kleinen, bunten Rollkoffer und sah durch und durch elegant aus. Um den Hals hatte sie ein Seidentuch geschlungen, der beige Mantel war sauber und glatt, ihre Füße steckten in schmalen Pumps mit einem kleinen Absatz. Sofort fragte er sich, ob sie sich vielleicht verirrt hatte.
Er parkte und stieg aus. Während er auf sie zuging, erhob sie sich, über strich ihren makellosen Mantel und lächelte höflich.
„Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?“
„Ich hoffe es.“ Das höfliche Lächeln war nicht aus ihrem Gesicht zu bekommen und jetzt, da er näher gekommen war, sah er einen belustigten Zug um ihre Augen. Entfernt erinnerte sie ihn an jemanden.
„Wo möchten Sie denn hin?“
Mit einer lässigen Geste deutete sie hinter sich. „Na, dort rein. Was sollte ich sonst in dieser verlassenen Gegend tun?“
Bei ihrer Antwort bekam Edgar für einen Moment weiche Knie. Die gute Frau musste die 70 schon hinter sich gelassen haben und wollte ins Aviditas ? Hektisch suchte er in seinem Kopf nach einer Antwort, oder besser noch: Einer Ausrede. „Tut mir leid, wir öffnen erst gegen 22 Uhr.“
„Ach, wo sind denn meine Manieren?“ Sie kicherte und machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Sie müssen Edgar sein.“ Nun hatte sie ihn endgültig aus dem Konzept gebracht. „Verzeihen Sie bitte, mein Name ist Evelyn Keyes – wir haben bereits einige Male miteinander telefoniert, Edgar, erinnern Sie sich? Ich bin hier, um endlich einmal meine Enkelkinder zu besuchen.“
15
Sich auf dem Campus zu orientieren, war nicht so einfach gewesen, wie Dale es sich vorgestellt hatte. Vivian hatte ihn zwar vor langer Zeit einmal mitgenommen, doch da hatte er eher auf ihren runden Hintern unter dem Kostüm geachtet als auf den Weg.
Glücklicherweise war der Hörsaal nicht allzu versteckt gewesen. Zu seinem Erstaunen war der Raum fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Vivian stand mit dem Rücken zu ihm und schrieb etwas an die große Tafel. Ihr Laptop stand aufgeklappt auf dem Tisch und ein Projektor warf eine bunte Sammlung von Formeln an die Wand. Er hatte nicht die geringste Ahnung, worum es ging.
Was er jedoch sehr wohl verstand, waren die bewundernden Blicke der männlichen Studenten, die auf Vivs ansehnlicher Rückseite hafteten. Er sah sich in dem Saal um, bevor er auf einen der freien Sitzplätze in der letzten Reihe glitt. Dort nahm er zur Kenntnis, dass fast nur männliche Studenten anwesend waren; die weiblichen Teilnehmer konnte er an einer Hand abzählen.
Vivian drehte sich wieder um, wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht und erläuterte eine Aufgabe, die sie offensichtlich zur Bearbeitung zuhause verteilte. Dann lächelte sie und sagte: „Das war es für heute. Bis nächste Woche.“
Sie klappte den Laptop zu und Dale beglückwünschte sich zu seinem perfekten Timing. Zufrieden lehnte er sich in dem Stuhl zurück.
Eine Viertelstunde später war er nicht mehr so gelassen. Vivian war noch immer von Studenten umringt und jeder von ihnen schien eine noch wichtigere Frage auf den Lippen zu haben als sein Vorgänger. Merkwürdigerweise hatte allerdings keine einzige Studentin ein Problem gehabt.
Er vertrieb sich die Wartezeit damit, darüber nachzudenken, ob Viv wohl auf ihn gehört hatte und keine Unterwäsche trug. Obwohl er es schon bald herausfinden würde, konnte er es kaum erwarten. Langsam leerte sich der Hörsaal und sie hatte noch nicht zu ihm hoch gesehen. Es war
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