Hingebungsvoll
statt auf den roten Haarschopf zu starrten, blickte er geradewegs auf eine lilafarbene Strickjacke und einen Faltenrock. Hinter seiner Grandma begann Edgar, lauthals zu lachen.
Seine Oma sah eher pikiert aus – vermutlich, weil ihr Enkel gerade geflucht hatte. Dann fiel ihm auf, dass er nur mit Boxershorts bekleidet war und warf die Tür wieder zu. Trotzdem konnte er Edgar noch immer lachen hören. Dieser miese Sadist hatte ihm ja nicht einfach Bescheid sagen können, bevor er Grandma direkt in sein Schlafzimmer führte! Nein, natürlich nicht! Wozu brauchte er Feinde, wenn er solche Freunde und Kollegen hatte?
Im ersten Moment war er nur froh, dass Katie nicht nackt an seiner Seite gelegen hatte. Er warf sich die erstbesten Kleidungsstücke über, die ihm in die Finger kamen und versuchte, der aufkommenden Panik Herr zu werden. Wie bekam er seine Oma aus dem Club, bevor er öffnete und die ganzen Perversen hier hereinspazierten? Wie sollte er seine Oma denn all die nackten, halb nackten und angeleinten Menschen erklären? Wo zum Henker war eigentlich seine Schwester? Mit klopfendem Herzen spähte er aus der Schlafzimmertür, doch er konnte niemanden entdecken.
In der Halle wurde er fündig. Edgar, der sich immer noch köstlich amüsierte und Julian ein breites Grinsen zuwarf, goss gerade kochendes Wasser in die Tasse, die vor seiner Granny stand. Evelyn Keyes hatte es sich auf einem der Barhocker gemütlich gemacht und sah sich interessiert um. Julian wurde schlecht. Hilflos sah er zu Edgar. Doch von ihm war sicherlich keine Unterstützung zu erwarten, dazu genoss er die Situation viel zu sehr.
Julian eilte die Treppe hinunter und war schlicht und ergreifend überfordert. Was sollte er nur tun? Am besten fragte er zuerst, in welchem Hotel seine Oma übernachtete. Vorsichtig näherte er sich dem Barhocker und hatte es noch nicht halb durch die Halle geschafft, als seine Oma ihn ansprach. „Na, hast du deine Nachtruhe beendet, Jules? Ich habe gebacken.“
Verdammt, Edgars Grinsen war noch breiter geworden, als er den Spitznamen hörte. Den würde er bestimmt so schnell nicht vergessen. „Noch etwas Zucker, Mrs. Keyes?“
„Das ist nett, Edgar. Sag doch Evelyn zu mir.“
Julian verdrehte die Augen und gab seiner Großmutter einen Kuss auf die Wange. Sie hatte mittlerweile eine Dose hervorgezaubert und öffnete sie. Nicht nur ihn verführte der himmlische Duft, der aus ihr aufstieg, auch Edgar drehte interessiert den Kopf. Er deutete auf die Küchentür und verschwand, um Teller zu holen.
Um seine Großmutter nicht zu verärgern oder – noch schlimmer – sie vor den Kopf zu stoßen, suchte Julian nach den richtigen Worten.
Doch er kam nicht dazu. Die Eingangstür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss und Katie betrat die Halle. „Du meine Güte, was riecht hier denn so fabelhaft?“
Auch sie blieb erschrocken stehen, als sie Mrs. Keyes erblickte. Diese wiederum sah interessiert zu Julian, der noch an den nackten Beinen seiner Freundin klebte. Hätte seine Großmutter ihn vorgewarnt, dass sie ihn besuchen würde, hätte er Katie gebeten sich anständiger anzuziehen. Nicht, dass er etwas gegen ihre Kleidungswahl einzuwenden gehabt hätte...
Katie trug einen kurzen Jeansoverall, der geschätzte 95 Prozent ihrer Beine freiließ, die dafür in Stiefeln steckten, die erst in der Mitte ihrer Oberschenkel endeten. Unter dem Overall hatte sie nur einen schmalen Streifen Stoff an, der gerade eben ihre Brüste bedeckte.
Wäre seine Oma nicht gewesen, hätte er sie sofort in sein Bett gezerrt, aber gerade wand er sich lieber verlegen auf dem Barhocker. Doch erstaunlicherweise hatte Katie sich viel schneller gefangen als er und steuerte geradewegs auf seine Granny zu. Sie hielt ihr die Hand hin und strahlte: „Sie müssen Evelyn sein. Angenehm, mein Name ist Katie. Julian hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Scheinbar hat er nicht übertrieben, was ihre Backkünste anbelangt.“
Sie rutschte auf den nächsten freien Barhocker, schlug die Beine übereinander und steckte ihre Nase in die Dose mit dem Gebäck. „Ist das echter Vanillezucker, so richtig selbst angesetzt? Meine Oma sagt immer, damit backen nur echte Profis.“
Verblüfft sah Julian zu, wie seine Oma dahin schmolz. Ehe er es sich versah, beorderte seine Grandma Edgar dazu, einen weiteren Teller aus der Küche zu holen. Mit einem Blick auf Katies schlanke Beine fügte sie noch hinzu: „Das Mädchen kann es ja vertragen.“
Das erschien
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