Hingebungsvoll
wie Vivian zusammenzuckte, sah Julian seinen Verdacht bestätigt und fragte sich, ob er das Bild jemals wieder aus seinem Kopf würde vertreiben können. Sein bester Freund hatte seiner Schwester den Arsch versohlt – und das vermutlich nicht zum ersten Mal. Bisher war Julian nicht so direkt mit den Folgen davon konfrontiert worden. Er wollte lieber gar nicht wissen, was die beiden noch veranstaltet hatten.
„Dann halt dich wenigstens irgendwo fest.“ Nun sah Vivian wirklich besorgt aus und wartete darauf, was Julian zu sagen hatte.
„Also-“ Weiter kam er nicht. Die Eingangstür ging wieder auf und Edgar kam hereinspaziert, nickte ihnen zu.
„Hey, Edgar! Geht es Tuco gut?“, fragte Viv.
„Klar, er ist draußen und kommt gleich“, erwiderte Edgar ruhig, wieder dieses Grinsen im Gesicht. Offenbar ahnte er schon, dass Julian die Beichte noch nicht hinter sich gebracht hatte. Am liebsten hätte er den Barkeeper erwürgt.
„Alleine?“, fragte Vivian beinahe panisch, dann machte sie jedoch eine wegwerfende Handbewegung. „Ach Quatsch! Er ist bestimmt mit Erica draußen, oder?“
Edgars Grinsen vertiefte sich und er sah auffordernd in Julians Richtung. Doch das war nicht mehr nötig, wieder wurde die Eingangstür geöffnet und Tuco stürmte in die Halle, dicht gefolgt von Evelyn Keyes.
Verdutzt starrte Vivian ihre Großmutter an. „Gran? Was machst du denn hier?“
Mit einem liebenswürdigen Lächeln entgegnete sie: „Ich bin hier, um dir zu erklären, wie ein Telefon funktioniert.“
Unmittelbar wurde Vivian knallrot und senkte den Blick. Wortlos starrte sie den Boden an, als würde sie sich wünschen, sich sofort in Luft auflösen zu können. Auch Dale wirkte unbehaglich – der sprichwörtliche Elefant stand mitten im Raum und schien ihn fast auszufüllen.
In diesem Moment stolperte Katie aus der Küche. Alle Blicke lagen auf Evelyn Keyes, der sich die Komik der Situation scheinbar nicht erschließen wollte. Gelassen setzte sie sich auf den Barhocker und strahlte in die Runde: „Also, wer Kuchen will, der sollte sich jetzt einen Teller holen und dann könnt ihr mir alles über diesen Sexclub hier erzählen. Der Name ist ja schon schick – Aviditas .“
Julian hätte schwören können, dass seine Großmutter in diesem Moment genau in Dales Richtung sah und es passierte etwas, das Julian noch nie erlebt hatte: Sein bester Freund wandte verlegen den Blick ab.
Nur Katie schien ganz entspannt zu sein und sagte: „Die Teller habe ich schon mitgebracht.“
Julian wischte sich zum wiederholten Male an diesem Tag über das Gesicht und warf einen hilflosen Blick zu Dale, der genauso überfordert aussah.
Katie blickte zwischen ihnen alle umher und sagte: „Du meine Güte, jetzt setzt euch endlich. Wenn die Katze sowieso aus dem Sack ist, kann Evelyn doch problemlos hier übernachten.“
Evelyn tätschelte ihre Hand und strahlte Edgar dankbar an, der ihr Tee eingoss. Alle andere nahmen Kaffee. Vivian löste sich als nächstes aus ihrer Erstarrung und kletterte auf den Hocker neben ihrer Oma.
Hätte das vorangegangen Gespräch nicht stattgefunden, wäre Julian vielleicht entgangen, wie vorsichtig seine Schwester sich auf die Sitzfläche niederließ. Irgendwie berührte es seine brüderliche Seite und er blickte Dale vorwurfsvoll an. Doch dieser grinste nur und sein Blick sagte ganz deutlich, dass Vivian es verdient hatte.
Julian nahm seinen Teller von Katie entgegen und setzte sich ganz an das Ende der Bar. Während er beobachtete, konnte er nicht glauben, dass diese Szene gerade wirklich passierte.
Genauso ging es wohl Erica, die in diesem Moment die Halle betrat und wie angewurzelt stehenblieb. Fasziniert sah sie zu ihnen hinüber. Evelyn Keyes stellte ihre Teetasse ab und drehte sich um, ihre Augen glitten über Erica, die ziemlich verwirrt aussah.
„Dale, ist das deine Freundin?“, wollte Evelyn nun wissen.
Julian kniff die Augen zusammen, er hatte seiner Oma doch erzählt, dass- Dann durchschaute er ihren Plan und musste sich unwillkürlich ein Grinsen verkneifen. Seine Granny wusste ganz genau, was sie tat und wie sie selbst seine Schwester aus der Reserve locken konnte.
Bevor Dale antworten konnte, fuhr Edgar bereits dazwischen. „Nein, Evelyn. Diese atemberaubend hübsche Lady gehört zu mir.“
Erica lächelte ihn an und kam näher, schüttelte Evelyns Hand und stellte sich vor. „Erica. Angenehm.“
„Erica, was für ein hübscher Name! Ich habe eine Cousine, die so
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