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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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er keine Aufmerksamkeit. So ist es bei den Elfen üblich.«
    »Ein Geschenk?« Ich brauchte einige Sekunden, um zu verstehen. »Sie meinen … Aber das ist Sklaverei!«
    »Er lebt gar nicht richtig, Cassie«, wandte Mac ein.
    Ich beobachtete das kindliche Wesen, das Pritkin ansah und blinzelte, als er ihm den langen Mantel zuknöpfte. Die Knöpfe schienen es zu faszinieren, denn es klopfte immer wieder mit einem orangefarbenen, ansonsten aber sehr menschlich wirkenden Finger darauf. »Für mich sieht er lebendig aus«, sagte ich.
    »Ich hole ihn später zurück – er soll mir nur Zugang verschaffen!«, brummte Pritkin. »Oder soll ich stattdessen
Ihren
Diener anbieten?«
    Billy richtete einen panischen Blick auf mich, und ich seufzte. »Natürlich nicht.«
»Dann hören Sie bitte auf, Ihren Rat in Angelegenheiten zu erteilen, von denen Sie nichts verstehen«, sagte Pritkin und verschwand mit seinen beiden Begleitern im Dickicht.
    Während der nächsten Stunden verschworen sich mehrere Dinge dazu, meine Nerven wundzuscheuern. Als besonders ärgerlich erwiesen sich die umherkriechenden Wurzeln, die mir wie kurzsichtige Hündchen folgten. Ich war vollkommen fertig, aber konnte ich mich für fünf Minuten hinsetzen? Teufel, nein. Ich musste mich von der lokalen Flora fernhalten und es ertragen, von der Fauna angestarrt zu werden.
    Kurze Zeit nach Pritkins Aufbruch schienen sich alle Vögel des Waldes – Adler, Eulen und sogar einige Geier – in den Bäumen um uns herum zu versammeln, zusammen mit kleinen Säugetieren. Sie verursachten nicht das geringste Geräusch, abgesehen vom Flattern ihrer Flügel, wenn sie Neuankömmlingen Platz machten. Nach einigen Minuten führte ihr kollektives Gewicht dazu, dass sich einige der dünneren Aste, auf denen sie hockten, nach unten neigten, aber keiner von ihnen brach. Die Tiere wirkten unheimlich, wie Zuschauer, die sich für ein unterhaltsames Spektakel eingefunden hatten. Da wir nichts Interessantes anstellten, vermutete ich, dass die Show später begann, was meine Stimmung nicht hob.
    Das galt auch für den Umstand, dass ich nichts für Tomas tun konnte, der reglos auf seiner Decke lag. Ich sah mich nicht nur außerstande, ihm bei der Heilung zu helfen – wenn er wirklich damit beschäftigt war, sich zu heilen. Ich wagte mich nicht einmal in seine Nähe, aus Furcht, dadurch die Aufmerksamkeit der kriechenden Wurzeln auf ihn zu lenken. Sie nahmen Schweiß auf – wer wusste, was sie sonst noch für Nahrung hielten? Doch das Nervigste von allem war Marlowes plötzlich wiedererwachtes Interesse an einem Gespräch. Er wartete, bis Pritkin außer Hörweite geriet, und wandte sich mir dann lächelnd zu. »Lassen Sie uns ein wenig plaudern, Cassie. Es gelingt mir bestimmt, Sie zu beruhigen.«
    Ich sprang über eine Wurzel hinweg, die versuchte, sich mir um den Fuß zu wickeln. »Warum bezweifle ich das?«
    »Weil Sie bisher keine Gelegenheit hatten, sich unsere Version anzuhören«, sagte Marlowe und schenkte mir ein warmes, verständnisvolles Lächeln, bei dem sich mir sofort die Nackenhaare sträubten. »Wir hätten dieses Gespräch schon früher führen sollen, aber als Sie von Ihrer Mission mit Mircea zurückkehrten, gaben Sie uns keine Chance dazu.«
    »Ich halte nicht viel davon, einen Dialog mit Leuten zu eröffnen, die mir mit dem Tod drohen.«
    Marlowe wirkte überrascht. »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen. Ich möchte Sie ganz gewiss nicht tot sehen, und das gilt auch für alle anderen Mitglieder des Senats. Das Gegenteil ist der Fall.«
    »Haben Sie das auch Agnes gesagt?«
    Dünne Falten bildeten sich in Marlowes Stirn. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
    Ich holte das kleine Amulett hervor, das Pritkin mir gegeben und bisher nicht zurückgefordert hatte. Wie ein Pendel ließ ich es vor Marlowes Augen baumeln. »Erkennen Sie das?«
    Er nahm das Amulett und betrachtete es. »Natürlich.«
    Ich starrte ihn groß an. Es wäre kaum ein Schock für mich gewesen zu erfahren, dass Marlowe hinter Agnes’ Ermordung steckte – es passte zu seinem Ruf –, aber ich hatte nicht erwartet, dass er es einfach so zugab. Glaubte er vielleicht, ich wäre ihm dankbar dafür, dass er Agnes erledigt und mich damit zu ihrer Nachfolgerin gemacht hatte?
    »Es ist ein Heiliger-Sebastian-Medaillon«, sagte Marlowe. Mac hatte sich genähert, schwieg aber. Vielleicht glaubte auch er, dass wir ein Geständnis hören würden. Wenn das stimmte, so erwartete ihn eine Enttäuschung.

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