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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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wieder auf die Beine. Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns bleibt.« Die Zellentür war schwer, doch in seinem normalen Zustand hätte Tomas sie mühelos aus den Angeln reißen können. Unter den gegebenen Umständen wäre ich damit zufrieden gewesen, wenn er laufen oder wenigstens gehen konnte, sobald Francoise zurückkehrte. Im Gegensatz zum Oger war ich nicht in der Lage, ihn zu tragen.
    Tomas zögerte, aber dann gelangte er offenbar zum gleichen Schluss wie ich, denn ich fühlte ein kurzes Zerren an meiner Kraft. Es wurde ein langsames, beständiges Fließen daraus, während sich gleichzeitig neues Leben in Tomas ausbreitete, und ich seufzte voller Wohlbehagen. Es konnte sehr sinnlich sein, wenn Vampire Blut tranken, aber das war diesmal nicht der Fall. Ich spürte warme Behaglichkeit, als säße ich in einer kalten Nacht in eine dicke, flauschige Decke gehüllt. Außerdem fühlte es sich vertraut an und erinnerte mich daran, dass ich noch einen anderen Grund hatte, auf Tomas sauer zu sein.
    Er hatte mir klammheimlich Blut abgezapft, während wir zusammengewohnt hatten, durch die Haut, Molekül für Molekül, ohne Spuren zu hinterlassen.
    Angeblich war es erforderlich gewesen, damit er immer wusste, wo ich mich aufhielt – es hatte zu seinem Job gehört, meine Sicherheit zu garantieren, und durch die Aufnahme meines Blutes entstand eine besondere Verbindung zwischen uns. Aber ich fühlte mich trotzdem davon verletzt. Rein theoretisch hätte ich vor dem Senat Anklage gegen ihn erheben können, obwohl das derzeit reichlich überflüssig gewesen wäre. Der Senat hätte ihn liebend gern ins Jenseits befördert, auch ohne dass jemand weitere Vorwürfe gegen ihn erhob. Er sah mich an, und der Laternenschein vergoldete seine dunklen Wimpern. Eine warme Mattigkeit breitete sich in mir aus, und es fiel mir immer schwerer, an meinem Ärger festzuhalten. Nach den Ereignissen dieses Tages schien es kaum eine Rolle zu spielen, ein wenig Kraft zu verlieren, und das Gefühl von Frieden und Vertrautheit war willkommen, woher auch immer es kam. Außerdem blieb uns eigentlich gar keine Wahl: Wenn es um das Blut der Feenland-Bewohner ebenso bestellt war wie um ihre anderen Körperflüssigkeiten, konnten Vampire vermutlich nicht viel damit anfangen. Unter solchen Voraussetzungen hätte mir Tomas sicher längst ein wenig Blut abgenommen, ohne dass es bekannt geworden wäre. »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich, als er aufhörte, ohne genug genommen zu haben. »Ich wusste nicht, ob du in einer Heiltrance warst oder …«
    »Ich bin nicht annähernd so stark wie sonst, aber dank dir werde ich mich erholen.« Er klang bereits kräftiger, was mich nicht hätte überraschen sollen. Es gab nur einige hundert Vampire der ersten Stufe, und die Dinge, zu denen sie imstande waren, erschienen oft wie ein Wunder. »Dieser Ort hat etwas Besonderes«, sagte er langsam. »Als wenn jeder hier verstreichende Moment eine Stunde unserer Zeit wäre. Nie zuvor habe ich mich so schnell geheilt.« Plötzlich hatte ich die Lösung für ein Rätsel, das mich seit zwei Tagen beschäftigte. Wie seltsam, dass es mir nicht schon längst eingefallen war. Wenn sich Myra im Feenland versteckt hatte, in einer Welt mit unberechenbarer Zeit, hatte sie nicht nur eine Woche gehabt, um sich von ihren Verletzungen zu erholen, sondern Monate oder sogar Jahre. Kein Wunder, dass sie so gesund und munter ausgesehen hatte!
    Tomas küsste die Seite meines Kopfes, weil er nichts anderes von mir erreichen konnte, und sah mich traurig an. »Du hättest nicht wegen mir zurückkehren sollen – das war ein schreckliches Risiko. Du musst mir versprechen, so etwas nie wieder zu tun.«
    »Es ist gar nicht nötig«, erwiderte ich und strich ihm das Haar aus den Augen. Es war immer so schön: lang und schwarz, weich wie das eines Kinds. Mit leicht zitternder Hand löste ich einige Blätter daraus. Ich war so froh, ihn lebend zu sehen, dass mir schwindelig wurde. »Wir finden eine Möglichkeit, dich vor dem Senat zu verstecken.«
    Tomas schüttelte den Kopf, noch bevor ich den Satz beendet hatte. »Schöne Cassie«, murmelte er. »Es ist lange her, seit zum letzten Mal jemand sein Leben für mich riskiert hat. Nur wenige Personen sind jemals dazu bereit gewesen. Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast.«
    »Wir verstecken dich irgendwo«, betonte ich noch einmal. »Der Senat wird dich nicht finden.«
    Tomas lachte leise und hörte sofort auf, als es schmerzte.

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