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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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würde.
    Mir war plötzlich langweilig. Was sollte das Verliebtsein für einen Sinn machen, wenn man nur herumsaß und sich anglotzte, wenn keiner keinen küsste?
    Am nächsten Tag rief Ramin an und erzählte, sein Motorrad sei geklaut worden.
    Ich verspürte einen Stich im Herzen.
    »Nein? Stand es nicht im Garten?«
    Er war ganz ruhig, als wäre es ihm egal.
    »Doch, sie haben es heute Nacht über die Mauer gehoben.«
    »Was? Die Schweine! Die Drecksärsche! Wie konnten sie das tun?«
    Die Diebe mussten gewusst haben, dass sein Motorrad hinter der Mauer stand. Sie hatten es tatsächlich aus dem Garten heraus geklaut.
    Ich war fassungslos, es tat mir richtig weh, als wäre es mein Motorrad und als wäre das in unserem Garten passiert. Ich fand es unglaublich, unbeschreiblich schlimm, dass man uns auf so brutale Art das Spielzeug weggenommen hatte. Und was auch schlimm war: Ich hatte keinen Freund mehr mit einem coolen Motorrad. Ich hatte nur noch einen Freund. Ohne Motorrad dazu. Ich fühlte mich vergewaltigt und misshandelt.
    Aber Ramin ließ sich nichts anmerken, er jammerte kein bisschen. Das Motorrad war kein halbes Jahr alt gewesen und es war wunderschön.
    Ich fand es komisch, dass ich von dem Vorfall viel betroffener war als er.
    An dem Abend saß ich mit meiner Mutter im dunklen Fernsehzimmer, während irakische Bomber über Teheran flogen, und erzählte ihr von dem gestohlenen Motorrad, da kam mein Vater von seinen Eltern zurück und fing sofort laut Streit an.
    »Meine fünfzehnjährige Tochter hat einen Freund und geht mit ihm vor meinen Augen in ihr Zimmer und sie schließen die Tür! Wo gibt es denn so was? Das gibt es noch nicht mal in deutschen Familien! Aber meine Tochter macht, was sie will … Jetzt bin ich wohl ihr Zuhälter. Alle reden über mich. Mein Haus ist ein Puff.«
    Er brüllte einfach vor sich hin und knallte ein paar Türen, aber er kam nicht in mein Zimmer. Das Thema war ihm wohl zu heikel. Seinem Gebrüll war zu entnehmen, dass ihn meine Tante darauf angesprochen hatten, wer der Junge sei, der neulich in meinem Zimmer saß, und meine Großmutter hatte gleich das gelbe Motorrad in ihrem Garten erwähnt. Erst da fiel ihm komischerweise ein, dass man sich besser aufregt und etwas herumschreit. Wie blöd und peinlich von ihm.
    Ich kannte das persische Wort für »Zuhälter« zu dem Zeitpunkt nicht. Ich hatte den Ausdruck bei uns zu Hause schon öfter gehört, wenn sich die beiden im Streit beschimpften, mich aber nie dafür interessiert, was es genau bedeutete.
    Ich fragte Ramin später, was das Wort genau hieß, ohne ihm zu verraten, warum. Er lachte verlegen.
    »Wie kommst du auf so was?«
    »Auf was, Mann? Auf was denn?«
    »Es heißt … Zuhälter.«
    »Echt? Was für ’n Scheiß.«
    »Wieso wirst du jetzt so sauer?« Er verstand nichts, der Arme.
    Ramins Schwester hatte Ferien, war aus Deutschland zu Besuch und quatschte dauernd dazwischen, weil sie es anscheinend irre aufregend fand, dass ihr kleiner Bruder eine Freundin hatte. Sie wollte alles Mögliche über mich wissen, und er musste die Fragen stellen. Ob ich einen Bruder hätte, was meine Eltern dazu sagten, dass ich einen Freund hatte, warum ich so lange telefonieren dürfte, ob meine Eltern nichts zu melden hätten und lauter solchen Quatsch. Sie sprach sehr gut Persisch, fiel mir auf.
    »Sag deiner Schwester, sie soll endlich die Fresse halten«, fauchte ich irgendwann.
    Und er wiederholte es brav genauso: »Lilly sagt, du sollst endlich die Fresse halten.«
    Ich hörte sie nur sagen: »Lilly ist aber schlecht erzogen.«
    Sie sagte: »Bitarbiat«, als wäre ich ein dummes Kind. Aber sie zog beleidigt ab.
    Eine ältere Schwester schien wirklich das Letzte zu sein, was man brauchte.
    In den vergangenen Wochen, seit mein Vater den Magendurchbruch gehabt hatte, war unser Haus ständig voller Verwandter und Freunde. Sogar Klaus kam öfters in Begleitung eines deutschen Arbeitskollegen. Meine Eltern saßen mit den Gästen immer bei geschlossener Tür im Salon, was mich freute, so hatte ich meine Ruhe.
    Ich saß an meinem Schreibtisch und übte meine neue Unterschrift mit Ramins Nachnamen, da kam meine Mutter herein, setzte sich auf mein Bett und sagte:
    »Wir müssen mit dir reden.«
    Ich sah sie verwundert an. Was wollte sie? Warum schrie sie nicht schon aus der Ferne, was sie wollte und unter welchen Bedingungen es stattfinden würde. Ich war verunsichert.
    »Du hast bestimmt gemerkt, dass wir hier in letzter Zeit einige Dinge

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