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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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…«, hörte ich sie murmeln.
    Mir war das egal. Ich wusste nicht, was fünfzig Prozent sind. Ich wusste nur instinktiv, dass man nichts für denselben Preis verkauft, den man selbst bezahlt hat. Und ich wusste, dass ich unbedingt ein Haustier brauchte, um dem ganzen Wahnsinn um mich herum etwas entgehen zu können.

    In meiner Klasse war auch die Tochter unseres evangelischen Pfarrers. Pfarrer Berner hatte einen ganzen Haufen Kinder, ich glaube, es waren mindestens sieben, und sie waren alle flachsblond. Elisabeth war ein stilles, ernstes Mädchen. Sie hatte oft Dirndlkleider ohne Schürze an, trug ihre langen, hellblonden Haare zu Zöpfen geflochten und sah dadurch immer aus wie aus einem deutschen Heimatfilm. Irgendwann erzählte sie einer Mädchenrunde in der Pause, dass die Pfarrers-Katze Junge bekommen hatte und sie jetzt bald Kätzchen zu verschenken hätte. Als sie das sagte, blühte mein Herz auf, und ich erkundigte mich nach den Kätzchen.
    Elisabeth sagte dann mit ihrer rauen Stimme, ich sollte einfach zu ihnen kommen und mir eins aussuchen.
    Ich liebte von allen Tieren ganz besonders Katzen. In Deutschland hatten meine Eltern plötzlich die brillante Idee gehabt, ein reinrassiges Siamkätzchen zu kaufen, damit ich etwas Gesellschaft hätte und ihnen nicht so viel Aufmerksamkeit abverlangte. Mischa wurde dann aber mehr die Katze meiner Eltern, denn seine Adligenallüren und die Ansprüche, die ich an ein lebendiges Spielzeug stellte, passten einfach nicht zusammen. Meine Eltern hingen sehr an ihm, viel mehr als ich. Meine Mutter kochte jeden Tag frisch für ihn und servierte ihm sein Mahl in einem silbernen Napf, der auf extra für ihn genähten Servietten stand. Ich konnte nicht wirklich viel mit ihm anfangen, weil er ziemlich humorlos war, also keinen Spaß verstand und mich ständig blutig kratzte. Außerdem zerkaute er regelmäßig meine Spielsachen und wurde dann von meinen Eltern verteidigt.
    Einen Tag, nachdem Elisabeth mir das Angebot gemacht hatte, war die dritte Stunde frei, genau richtig für einen schnellen Katzenbesuch. Das Haus des Pfarrers lag nahe der Schule, wir verließen das Schulgelände durch das obere Schultor, vorbei am Wachmann, der Elisabeth kannte und uns deshalb durchließ, und waren nach fünf Minuten schon am Haus des Pfarrers. Ich war wieder neidisch, denn ich musste jetzt jeden Tag fast eine Stunde im Schulbus durch Teheran fahren, aus dem Fenster starren und mich langweilen.
    Elisabeth ging mit mir in den Garten, und dort, in einer Ecke der Terrasse, stand ein großes Körbchen. Das Körbchen war leer, aber eine dicke, gelbgestreifte Katze kam miauend auf uns zu.
    »Das ist die Mutter«, erklärte Elisabeth sachlich und begann im Garten herumzusuchen.
    Und plötzlich kamen drei winzige flauschige Wesen aus einer Ecke gerannt, und zwei andere tauchten unter einem Busch auf.
    Ich hatte noch nie so kleine Katzen in echt gesehen und wusste gar nicht, nach welcher ich zuerst greifen sollte.
    »Sie sind jetzt sechs Wochen alt. In zwei Wochen sind sie groß genug, und du kannst eins haben«, erklärte mir Elisabeth und lächelte eines ihrer seltenen Lächeln.
    Sie waren alle fünf sehr süß, zwei waren grau, zwei grauweiß und eins war gelb geringelt, wie die Mutter, und dieses Kätzchen signalisierte mir klar: Ich gehöre zu dir.
    Ich war entzückt. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte ich etwas wie absolutes Glück in mir aufsteigen. Ich liebte diese kleine gelbe Katze sofort, grenzenlos und unendlich.
    »Ich will den!«
    »Ja, das ist ein Kater. In zwei Wochen bring ich ihn dir mit.«
    Wie aufregend! In zwei Wochen würde dieses niedliche, rosanasige kleine Ding zu mir gehören. Immer bei mir sein. Wir wären zu zweit, und ich müsste nie mehr allein sein.
    Und er würde nicht nach zwei Tagen tot in einem Karton liegen.
    Zwei Wochen später, an einem Donnerstag, hatten wir früher Schule aus, und Elisabeth und ich gingen zu ihr nach Hause und holten den gelben Kater.
    Ich vibrierte vor Glück und Aufregung. Meinen Eltern hatte ich von meinen Plänen nichts erzählt, ich dachte, es sei besser, wenn sie vor vollendete Tatsachen gestellt würden, dann konnten sie nichts dagegen haben.
    Elisabeth gab mir einen kleinen Karton, in den wir meinen Gelben hineintaten, dann bohrten wir mit einem Kugelschreiber ein paar Luftlöcher hinein, damit er etwas sehen konnte.
    Ich fuhr mit dem Karton auf dem Schoß im Bus nach Hause, rannte die Treppen laut rufend hoch, stieß die Tür

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