Hinter dem Mond
jeden Abend mit ihm reden. Es ist so langweilig. Er redet nur davon, wie scheiße du bist und Opa, und Gita und Bita … und er sagt so komische Sachen … ich will das nicht hören.«
»Er ist selber scheiße«, sagte meine Mutter abfällig und verzog ihren schönen, rotbemalten Mund.
»Lass dich unbedingt scheiden«, riet ich meiner Mutter und nickte ihr mit dem Mund voller Pommes und Ketchup motivierend zu. »Unbedingt! Ich brauche keinen Vater!«
Sie sah mich angeekelt an und sagte: »Iss nicht wie ein Schwein.«
»Aber ich bin doch jetzt mutterlos!«
Ich hob die Schultern entschuldigend und verzog meinen vollen Mund.
Da mussten wir beide lachen.
Am nächsten Abend kam mein Vater abends früh nach Hause und hatte zwei Frauen dabei. Die eine war jung und hübsch, und die andere war etwa doppelt so alt und, wie ich später merkte, ihre Mutter. Ich hatte die Tür mit dem Kater auf dem Arm geöffnet, damit er nicht abhaute. Ich gab der älteren Frau die Hand und knickste, und als ich mich der Jüngeren zuwandte und die aus der Nähe sah, dass ich einen lebendigen gelben Fellhaufen auf dem Arm hielt, quiekte sie, machte einen Satz zurück und zog ein entsetzt-angewidertes Gesicht.
»Das ist Mr Molly«, sagte ich und winkte ihr mit seiner rechten Katzenpfote zu, »er wohnt auch hier.«
Mein Vater sagte zu mir auf Deutsch: »Bring den weg. Sie wird uns ein wenig helfen und sich um dich kümmern.«
Ich hatte nichts dagegen, dass sich eine junge hübsche Frau, die sich vor einer faulen dicken gelben Hauskatze fürchtete, ein wenig um mich kümmerte.
Mein Vater führte die beiden durch das ganze Haus, öffnete die Türen zu allen Zimmern und schämte sich unglaublich, weil in der Küche schmutziges Geschirr stand, im Bad ein Berg Schmutzwäsche, weil Fatima die Waschmaschine nicht bedienen konnte, und mein geflicktes Schlauchboot in der Wanne war und wir auch ansonsten alles ziemlich eingesaut hatten.
Die Junge meinte immer nur: »Machen Sie sich keine Sorgen, das wird alles erledigt.«
Und die Alte nickte: »Ja, das ist alles überhaupt kein Problem, sie kann das alles.«
Dann gaben mir beide übertrieben nett die Hand, sahen mich mitleidig an und warfen der Katze noch einen letzten, ungläubigen Blick zu, und waren weg.
»Wie fandest du sie?«, fragte mich mein Vater erwartungsvoll.
Ich zuckte die Schultern.»Hoffentlich kann sie kochen und setzt mir keinen persischen Arme-Leute-Mansch vor.«
»Nein, mach dir keine Sorgen. Das ist eine ganz feine Familie!« Er war ganz aus dem Häuschen. »Sie studiert hier an der Universität Literatur, ihre Mutter kommt schon sehr lange zu mir in die Praxis, sie hat mir erzählt, dass sie sich etwas Abwechslung wünscht und Kinder liebt.«
»Wo sind denn hier Kinder?« War er verrückt geworden?
»Du bist doch ein Kind.« Er grinste.
Ich sah mich nicht als Kind, sondern als geilen Teenager.
Meine Jeans waren so eng, dass ich mich zum Zuziehen des Reißverschlusses auf mein Bett legen und den Bauch einziehen musste. Mein Schönheitsidol war Brooke Shields. Ich hatte in der Bravo ein Riesenposter von ihr aus dem Film »Pretty Baby« entdeckt, in dem sie die Tochter einer Prostituierten in einem Bordell spielt, das hing riesengroß in meinem Zimmer. Ich wollte alles so haben wie Brooke. Brooke war für mich die Menschwerdung meiner Träume und Sehnsüchte. Ich wollte Model sein und viele supertolle Klamotten anziehen wie sie, in Filmen mitspielen, wo ich die ganze Zeit nur eine Schnute ziehen musste, und die kritischen Stimmen, die ich auch gelesen hatte, dass das arme Mädchen von ihrer ehrgeizigen Mutter als Marionette in einer Erwachsenenwelt missbraucht wurde, interessierten mich nicht. Ich stylte mich genau wie sie. Aber ich war natürlich überhaupt nicht so schön und perfekt wie sie, hoffte jedoch, es noch zu werden. Mit meinem Gesicht war ich nicht besonders zufrieden, aber ich wusste: Mein Kapital war meine Figur. Wenn die Freundinnen meiner Mutter kamen, raunten sie meiner Mutter immer zu: »Sie ist so langbeinig, von wem hat sie das?«
Und meine Mutter schnaubte dann verächtlich: »Sie futtert zu viele Süßigkeiten und Chips. Wenn sie so weitermacht, wird sie fett.«
Aber die Freundinnen sagten dann anerkennend: »Sie ist doch nicht dick, sondern langbeinig wie eine Gazelle!« Ich hatte es genau gehört.
Und die Schwester meines Vaters rief immer auf ihre penetrante Art, ich hätte einen Körper wie Barbie, bloß ohne Busen. Ich wollte nicht wie die
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