Hinter dem Mond
als er, schon fünfzehn, und man munkelte, sie hätten sogar schon Sex. Um sich morgens zu erfrischen, hatte er die Angewohnheit, noch vor der Schule zu Hause in den Pool zu springen, bevor er mit seiner dottergelben Gelände-Yamaha zur Schule knatterte. Deshalb kam er immer erst nach dem Klingeln mit nassen Zottelhaaren zur ersten Stunde.
Hartmut war eine der Hauptpersonen der Coole-Jungs-Gang unserer Schule. Eigentlich waren nur ältere Jungs aus den oberen Klassen in der Gang, aber Hartmuts beide besten Freunde waren eine Klasse über uns, was Hartmuts Credibility enorm steigerte, zudem besaß er schon eine schwere Maschine, die ihm noch viel zu groß war. Aber mit seinen beiden Kumpel bildete er das Mädchenschwarm-Trio schlechthin. Der zweite im Bunde war Jan, der ein beneidenswert tolles Leben hatte. Seine Eltern waren geschieden, er lebte die meiste Zeit allein mit einem Hausangestellten in einem großen Haus, da sein Vater immer auf Geschäftsreise war. Hugo, der dritte Freund, war der Sohn eines deutschen Ingenieurs, der mit seiner Familie an einem Stausee außerhalb Teherans in den Bergen lebte. Jan und Hugo waren beide rein deutsch, wie wir es nannten, waren aber schon so lange in Teheran, dass sie beide perfekt Persisch sprachen. Viel besser als ich. Wenn ich mit den coolen Straßenjungs Fußball spielen könnte, wäre mein Persisch sicher auch um einiges besser. Um diese drei Jungs, die so etwas wie die Helden unserer Schule waren, scharten sich diejenigen Jungs, die etwas vorzuweisen hatten, wie zum Beispiel ein Motorrad, und dann gehörte da noch ein Haufen frühreifer Mädchen dazu. Frühreif deshalb, weil sie schon daran interessiert waren, in den Pausen und Freistunden die meiste Zeit auf dem Schoß einer der Jungs zu verbringen, häufig mit seiner Zunge in ihrem Mund und seiner Hand unter ihrem T-Shirt. Ich war leider nicht frühreif und gehörte nicht zu dem erlauchten Kreis derer, die bei und mit den coolen Jungs auf den grünen Stangen, die die Grünflächen unserer Schule abtrennten, sitzen durfte. Ich wurde weder von diesen Jungs noch von den dazugehörigen Mädchen weiter beachtet, geschweige denn auf eine der berüchtigten Donnerstags-Partys eingeladen. Ich hatte auch immer noch weder meine Tage bekommen noch war mir ein nennenswerter Busen gewachsen. Nur meine Arme und Beine wurden immer länger. Von den Donnerstags-Partys hörte man die wildesten Sachen. Sie fanden abwechselnd in dem Partykeller von einem, dessen Eltern nicht da oder unbekümmerte Deutsche waren, statt. Auf diesen Partys mussten die wundersamsten Dinge geschehen, dem Getuschel nach zu urteilen.
Ich wollte auch nichts von den Älteren, denn ich war schon in Armin verliebt, und der brauchte keine coole Gang, er war cool für sich allein. So wie er wollte ich auch sein: ein einzelner Stern, der für sich allein strahlen konnte.
Die einzige Intimität außer der Anlächelei im Unterricht war bis jetzt eine gemeinsam verbrachte Freistunde. Er saß allein in der Sonne auf der Treppe vor dem Teil der alten Villa, in dem die Chemie- und Physikräume waren und wickelte ein riesiges Sandwich aus mindestens einem Meter Alufolie. Ich schlenderte vorbei und setzte mich zu ihm, aber zwei Stufen unter seiner Stufe, und grinste zu ihm hoch.
Wir hatten frei, weil unsere Persischlehrerin Frau Meier krank war, zum Glück.
»Hoffentlich bleibt Frau Meier noch lange krank«, sagte ich leicht dahin.
Er lachte.
»Hoffentlich wird sie nie wieder gesund!« Ich fühlte mich plötzlich sicher.
Er lachte noch mehr und fragte dann: »Magst du sie nicht?«
Ich war erstaunt über die Frage. Das war wohl völlig klar, dass man die nervige Kuh nicht mögen konnte. Frau Meier war Perserin und mit einem Deutschen verheiratet, ihr Sohn Benjamin ging in unsere Klasse, musste aber absurderweise nicht an dem langweiligen Unterricht seiner Mutter teilnehmen, weil er ja Deutscher war. Er weigerte sich auch, Persisch zu sprechen, was ich an ihm, außer der Tatsache, dass er blond und blauäugig war, sehr mochte. Jedenfalls war er schon in Ordnung, aber seine Mutter blamierte ihn ständig.
Einmal hatte sie meine Mutter angerufen und sich über mich beschwert. Ich stand mit Herzklopfen an der Tür und hörte mit.
Dann sagte meine Mutter: »Oh, doch, wir sprechen sogar sehr viel mit Leily und mit Absicht nur Farsi zu Hause.«
Ich ging in unser Esszimmer, setzte mich an den Esstisch und wartete auf meine Hinrichtung.
Meine Mutter hatte ihre genervte
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