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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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auf dem Kopf.
    »Was soll ich mit dir? Du bleibst hier.«
    Ich nahm die Katze auf den Arm und setzte mich auf den Boden. Mir kamen die Tränen.
    »Du kannst nicht gehen«, heulte ich.»Du kannst mich nicht hierlassen, ich will mit.«
    Sie schloss den ersten Koffer und schleppte ihn zur Wohnungstür. Dann den zweiten und den dritten. Vorher hatte sie noch die erhitzbaren Lockenwickler aus ihren Haaren gedreht, laut in den Kasten zurückgeschmissen und ihn dann zu ihren Schminksachen in den Koffer geworfen.
    Sie sah mich die ganze Zeit nicht an, nicht, als sie sich ein T-Shirt anzog, und nicht, als sie zum Telefon ging und zu jemandem sagte, sie sei fertig.
    Ich hatte aufgehört zu heulen. Das war jetzt zu schlimm. Was sollte aus mir werden? Was war hier letzte Nacht passiert?
    Es klingelte an der Wohnungstür, sie ging hin, drückte den Türöffner, schleppte den dritten Koffer auch zur Tür und nannte jemandem die Adresse meiner Großeltern.
    Sie kam noch mal zu mir, sah mich wütend an und sagte: »Sag deinem Vater, ich bin weg, jetzt kann er mit sich selbst verrückt spielen. Ich kann nicht mehr.« Dann nahm sie ihre Handtasche und ging zur Tür.
    Ich rannte ihr hinterher und schrie:
    »Nimm mich mit! Nimm mich mit! Ich will mit!«, und klammerte mich an ihren Arm. Sie schüttelte mich ab und stieß mich, heulend und nur in Unterwäsche, zurück:
    »Nein, ich nehme dich nicht mit. Du bleibst schön hier, damit dein Vater sieht, wie hart mein Leben ist!«
    Und dann rannte sie die Treppen mit laut klappernden Absätzen hinunter. Ich stand oben auf der Treppe und schrie noch eine Weile heulend: »Nimm mich mit, nimm mich mit!«
    Irgendwann legte ich mich auf die Marmorstufen und schluchzte nur noch. Meine Mutter war gegangen. Was sollte nun aus mir werden?

    Ich ging zurück in die leere Wohnung, setzte mich an die Küchenbar und beruhigte mich.
    Dass sie weg war, war die eine schreckliche Sache. Aber dass ich jetzt mit meinem Vater alleine sein musste, war die andere, sehr viel schlimmere Geschichte. Wenn sie mich ganz allein gelassen hätte, wäre ich eigentlich kaum verzweifelt gewesen. Was würde er sagen, wenn er heute Abend nach Hause kam und es erfuhr. Er würde sie sicher sofort zurückholen. Was würden seine Eltern sagen? Meine Tante? Mein Gehirn ratterte in einer Tour vor sich hin, ich war total überfordert von der Situation und merkte, ich konnte jetzt nichts tun außer zu warten.
    Ich öffnete den Kühlschrank, um zu sehen, was sie mir zum Überleben dagelassen hatte.

    Als mein Vater abends etwas früher als sonst nach Hause kam, wusste er schon Bescheid.
    Ich lag wie immer mit der Katze vor dem Fernseher, sprang aber beflissen auf und rannte zur Tür, so wie er es sich immer wünschte, um ihn zu begrüßen.
    Bei meinem Vater war es so: Wenn er schlecht gelaunt war, bekam ich immer die schlechte Laune ab. Ich kannte es bis dahin nicht, dass seine schlechte Laune nichts mit mir zu tun haben könnte. Wenn ihm irgendeine Laus über die Leber gelaufen war, war es logisch, dass ich kurz danach auch nichts mehr zu lachen hatte.
    An dem Abend war mein Vater sehr schlecht gelaunt, aber er bemühte sich regelrecht, nett zu mir zu sein. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass er sich zusammenriss, weil ich es schon schwer genug hatte und er mich nicht noch mehr belasten wollte, sondern weil ihm außer mir niemand geblieben war.
    Er ging in die Küche und wollte Reis und Spiegeleier kochen. Ich mochte keinen Reis mit Eiern, hatte aber auch keine bessere Idee. Also kochten wir Reis und brieten Eier.
    »Sie ist verrückt«, sagte mein Vater, während er die Eier in die Pfanne haute, wo die Butter schon brutzelte.
    »Total verrückt. Keine ehrbare Frau macht so was. Sich jeden Tag auftakeln, um in einem Büro den Männern den Kopf zu verdrehen. Sie genießt diese Aufmerksamkeit, deswegen liebt sie auch diese Arbeit. Es geht ihr nur darum, bewundert zu werden. Ich arbeite wie ein Pferd, sitze jeden Tag 16 Stunden in der Praxis, und deine Mutter macht sich schön für andere Männer …«
    »Macht sie nicht«, sagte ich genervt. Mein Vater war so dumm, dass man nicht wusste, wo man anfangen sollte, etwas zu erklären. Das war auch der Grund, warum ich nie mit ihm redete. Ich hasste meine Mutter dafür, dass sie gegangen war, und mich mit ihrem dummen Mann alleine gelassen.
    »Doch, macht sie«, meinVater zog ein angewidertes Gesicht, ließ die Eier auf zwei Teller gleiten, zwei für ihn, eins für mich, weil ich

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