Hinter dem Mond
blöde Barbie sein, mit dem doofen Spitzbusen und dem dummen blonden Kopf. Ich wollte einfach nur so sein wie Brooke auf dem Poster, ein ernstes Mädchen mit wunderschönen, ungezupften Augenbrauen und langen, dunklen, gewellten Haaren, die ich mir abends nach dem Waschen feucht in Zöpfe flocht, um am nächsten Tag die richtige Mähne zu haben. In hautengen zerfetzten Jeans und großen, weißen Herrenhemden. Meine Mutter hatte mir schon mehrmals angeboten, mir die Brauen etwas zu zupfen, aber ich hatte jedes Mal geschrien: »Spinnst du? Dann sehe ich ja aus wie eine persische Tussi! Also wie alle!« Persische Mädchen hatten alle, genau wie ihre Mütter, ein Riesenproblem mit ihrer Körperbehaarung. Meine Mutter hatte das Thema natürlich auch und hatte immer einen Vergrößerungsspiegel und eine Pinzette in ihrer Nähe, falls plötzlich irgendwo ein Haar aus ihrem Körper sprießen sollte. Deshalb waren gezupfte Augenbrauen und gewachste Achseln und Beine schon bei Dreizehnjährigen obligatorisch. Aber ich ließ meine Mutter nicht ran. Ich fand den zarten Flaum an meinen Armen und Beinen sehr sexy, vor allem im Sommer, wenn er blond wurde in der Sonne.
Also meine Figur, meine Haare und meine Augenbrauen waren schon sehr brookig, nur mein Gesicht nicht, obwohl ich stundenlang vor dem Spiegel ihren Schmollblick übte. Aber ich war ja gerade erst dreizehn geworden, es bestand noch Hoffnung.
»Du brauchst jemand, der sich um dich kümmert, damit du nicht allein bist, der dich zur Schule schickt und für dich Essen kocht. Samira wird sich um alles kümmern«, sagte der Mann, dessentwegen meine Mutter davongelaufen war.
Damit hatte er allerdings recht. Also versprach ich ihm, Samira das Leben nicht zur Hölle zu machen und lieb zu sein.
Samira kam am nächsten Morgen mit einem Koffer. Ich war erstaunt, dass sie bei uns wohnen sollte, aber wenn sie unbedingt wollte, hatte ich nichts dagegen. Samira war sehr distanziert zu mir und fragte mich schlecht gelaunt, wo das Waschpulver für die Waschmaschine war. Und fing dann an, die Wäsche lustlos in die Maschine zu stopfen und Fatima anzukacken, sie hätte gewaschen, Fatima sollte gleich wenigstens die Wäsche aufhängen.
Dann ging sie ins Fernsehzimmer, machte einen iranischen Sender im Fernseher an und fing an zu heulen.
Ich stellte mich in die Tür und beobachtete sie eine Zeitlang.
»Warum weinst du?«
Sie machte eine abweisende Kopfbewegung: »Welam kon.« (Lass mich in Ruhe)
»Ich fahr jetzt mit dem Taxi zu meiner Freundin Angela und bin heute Abend wieder zu Hause.«
Samira saß verheult vor dem Fernseher und hatte einen Kranz aus zerknüllten Kleenex um sich herum gelegt.
Sie zuckte mit den Schultern, ohne mich anzusehen.
Ich war verärgert. Der war ja total egal, was ich machte.
Seit ich mutterlos war und Angela die Geschichte ihrer Mutter erzählt hatte, war ich immer, wenn ich wollte, bei Angela eingeladen, weil ich ihrer Mutter leid tat. Irgendwie hatte ich das Gefühl, Angelas Mutter wäre auch gerne einfach abgehauen, traute sich aber nicht. Von demVater der drei wusste ich nicht viel, außer dass er Jeans verboten hatte.
Ich wollte auch keine weiteren persischen Väter näher kennenlernen, ich hatte mit meinem eigenen schon genug zu tun.
Aber an diesem Nachmittag gingen wir nicht schwimmen, Angelas Mutter begrüßte mich mitleidig und fragte betont mütterlich, ob es mir denn gut gehe. Ich nickte wortlos, ging gleich mit Angela nach oben und schloss die Zimmertür. Dann verdrehte ich die Augen und erzählte, wie schlimm alles war und dass mein Kindermädchen eine blöde Kuh war. Und dass ich ins Internat gehen würde. Ich müsste nur meinen Vater noch überreden.
»Wohin willst du ins Internat?«, fragte Angela total erschrocken.
»Nach Deutschland natürlich. Nach Schloss Salem, Mann.«
Ich hatte von Schloss Salem irgendwo gelesen und wusste sofort, ein Schloss in Süddeutschland am Bodensee, wohin die Kinder von sehr reichen Leuten mit familiären oder schulischen Problemen abgeschoben wurden, wäre genau das richtige Umfeld für mich.
»Aber dann bist du ja ganz allein in Deutschland!« Angela war entsetzt und konnte es nicht fassen.
»Genauuu!«, grinste ich sie an. »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Allein! Und in Deutschland. Und im Internat. Auf einem Schloss! Oh Maaaaaann!« Ich warf den Kopf nach hinten und kreischte laut vor Vergnügen und Vorfreude.
Dann holte ich die Donna-Summer-Kassette aus meinem Beutel, und Angela
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