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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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den Kopf. Sie war angewidert, weil sie mir nicht nur wie immer unterlegen war, sondern das auch noch ein ganzer Haufen Jungs mitkriegen würde. Dann meinte sie: »Okay.«
    An dem Donnerstag kam Angela gleich mit dem Bus mit zu mir. Samira war am Wochenende immer bei ihrer Mutter, und mein Vater hatte nur freitags die Praxis geschlossen, so hatten wir die ganze Wohnung für uns. Ich legte erst mal meine neue Queen-Kassette »A Day at the Races« auf und stellte die Lautstärke höher als erlaubt.
    Dann tanzten wir in die Küche, um uns Mittagessen zu machen, während sich Freddie Mercury die Seele aus dem Leib schrie.
    Ich nahm eine schwere Pfanne, tat etwas Butterschmalz aus dem gigantischen Blechkübel neben dem Herd hinein und legte zwei riesige Scheiben Toastbrot dazu. Dann schnitt ich von dem riesigen Stück Edamer-Käse zwei dicke Scheiben ab und legte sie auf das Brot. In Teheran war immer alles riesig. Das Toastbrot war ein langer Riesenlaib, Olivenöl kam in Kanistern, Butterschmalz in Kübeln, sogar der Joghurt war in Plastikeimern, größer als die, die in Sandkästen liegen, ohne Deckel, mit einer dicken Haut obendrauf. Ich aß nur den Fruchtjoghurt aus dem amerikanischen Supermarkt. Der weiße Joghurt aus unserem Baghali (Krämerladen) an der Ecke schmeckte eindeutig nach Schafskacke. Aber meine Mutter meinte, genauso müsse Joghurt schmecken und nicht so fad wie der Naturjoghurt in Deutschland. Aber ich ekelte mich vor saurem Joghurt und vor Milchhaut und vor der Geschmacksnote Schaf sowieso.
    Angela saß auf einem der Barhocker, trank Cola und sah mir wie gebannt zu.
    »Dass du das kannst.«
    »Klar kann ich das! Ich kann auch Pudding kochen und Eier braten. Und super Sandwiches kann ich auch. Und Tomatensalat! Und Marmorkuchen! Und Streuselkuchen!«
    Eigentlich war das nicht viel. Aber Angela konnte gar nichts, noch nicht einmal Rad fahren. Sie durfte nicht in der Küche herumwerkeln, ihre Mutter wollte das nicht. Meine Mutter wollte das auch nicht, aber ich tat es trotzdem.
    Ich hatte ein sehr großes, dickes Buch von meiner Mutter geschenkt bekommen. Es war ein Ratgeber für Mädchen und hieß: Von Tag zu Tag. Es stand einfach alles drin, was man wissen musste. Zum Beispiel, wie man sich benimmt, wenn man seine Tage hat, mit einem Jungen ausgehen möchte oder eine Nachmittagsgesellschaft gibt.
    Darin war auch beschrieben, wie man aus einem einzigen Teig drei verschiedene Kuchen macht: Streuselkuchen, Bienenstich und Obstkuchen.
    Ich hatte den Streuselkuchen ausprobiert und war mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
    Mir machte Kochen und Backen viel Spaß, was wiederum meine Mutter nicht erfreute, denn sie meinte, ich würde ihre Küche jedes Mal einsauen. Aber jetzt war sie ja nicht mehr da und Samira hatte kein Problem damit, stumpf vor sich hin zu putzen. Nur kochen und mit mir reden wollte sie einfach nicht.
    So hatten sich meine Fähigkeiten in der Küche in den letzten mutterlosen Wochen um einiges verbessert, obwohl ich mittags meistens bei Maman unten aß, was für uns beide qualvoll war. Maman hatte noch weniger Bock auf mich, als ich auf sie. Aber wir hatten beide keine Wahl und mussten da durch. Sie konnte es als Großmutter vor der Familie nicht bringen, das einzige, mutterlose Kind ihres ältesten Sohnes in ihrem Haus nicht zu füttern.
    Ihr Essen war meistens gar nicht so schlecht, aber ich hatte mir mit ihr nichts zu sagen, und sie anzuschweigen, während ich ihren Reis mit Ghorme Sabzi aß, fand ich unhöflich. Es gab nichts in meinem Leben, was ich ihr hätte erzählen können und was sie auch nur ansatzweise verstanden hätte. Sie war ja noch nicht mal auf eine persische Dorfschule gegangen, wie sollte sie mein deutsches Gymnasiastendasein verstehen?
    So fragte ich sie immer nach dem Rezept für das, was ich aß. Ich verstand sie nur sehr schlecht, weil sie dieses Kauderwelsch aus Türkisch und Farsi sprach. Aber sie erzählte mir trotzdem gerne immer und immer wieder, wie man den Lammbraten so richtig knusprig macht und wie viel Safran in den Reis gehört, sodass ich es bis heute im Schlaf kann.
    Ich nahm zwei Teller, legte die beiden goldbraunen Rechtecke darauf, schnitt sie diagonal auf, nahm die Riesenflasche Heinz Ketchup aus dem Kühlschrank und sagte zu Angela: »Komm, wir essen in meinem Zimmer.«

    Wir ließen uns ein Taxi kommen, Alex wohnte eine halbe Autostunde im Norden, in Niawaran, ganz in der Nähe des Schah-Palastes.
    Das Wohnzimmer der Villa war das Hauptpartyzimmer, wo

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