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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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Ende war, ließ ich ihn sofort los und nahm Kurs auf meine Sofa-Ecke.
    Angela setzte sich mit hochrotem Kopf neben mich.
    »Wie war’s?«, flüsterte ich.
    »Der hat mich fast zerquetscht, und ich hab überhaupt keine Luft mehr bekommen!«
    Ich starrte sie an, leicht erregt von der Vorstellung, dass mir so etwas auch einmal mit Armin passieren könnte.
    »Außerdem stank er nach Pofak!« Sie rümpfte angeekelt die Nase.
    Armin wurde, kurz bevor unser Taxifahrer klingelte, von einem Fahrer abgeholt.
    Er ging an mir vorbei und sagte: »Tschüss! Bis Samstag!«
    Das war mir etwas zu wenig für die größte Liebesgeschichte aller Zeiten.

    Mein Vater saß mit Samira im Wohnzimmer und nickte erfreut, als ich kurz hineinkam, um uns zurückzumelden. Natürlich hatte ich mir die Suzi-Quatro-Stiefeletten ausgezogen und das Stirnband abgelegt. Er war eine tickende Zeitbombe, und ich wollte keinen Stress.
    Die blöde Samira lächelte mich falsch und verlogen an, so als würde sie mich mögen.
    »Und, wie war’s?«, fragte mein Vater mit gespieltem Interesse, als wäre er ganz normal.
    So etwas hatte er mich noch nie gefragt.
    Ich sagte: »Superlangweilig. Ich hasse Partys.« Und rollte mit den Augen und ging hinaus. Soweit kam’s noch, dass ich mit meinem Vater über mein Privatleben sprach.
    Als wir Mädchen nebeneinander in meinem ausgezogenen Bett lagen, wusste ich zwei Dinge ganz genau: Jungs stinken nach Pofak, und Partys sind peinlich und langweilig. Ich wusste nicht, was die ganze Aufregung um beides sollte.
    Am Samstag nach der Party fuhr ich wieder mit dem Bus zu meiner Mutter ins Büro und dann mit ihr zusammen zu ihrem Vater. Ich beobachtete sie seit einiger Zeit ganz genau, wenn sie Auto fuhr, wie sie die Gänge wechselte, kuppelte und bremste. Autofahren war mein nächstes Ziel, seit ich einige Jungs aus der Schule, die natürlich noch lange nicht achtzehn waren, in Autos hatte herumfahren sehen. Wenn die Pofak-Stinker das konnten, dann konnte ich das auch. Und in Teheran interessierte es sowieso niemanden, ob man einen Führerschein hatte oder nicht.
    Die Stimmung bei meinen Großvater war schlecht. Er machte sich Sorgen um die politische Situation. Seit einiger Zeit gab es überall im Land und vor allem im Süden Teherans Demonstrationen gegen den Schah, die zwar immer schnell vom Militär niedergeschlagen wurden, aber die Geschäfte meines Opas gingen deswegen schlechter. Ich fragte mich, warum weniger Leute seinen Tee und Reis kauften, nur weil ein paar Idioten unzufrieden waren, aber es interessierte mich auch nicht weiter. Armin und ich hatten die Freistunde wieder zusammen verbracht, und er hatte mir sein neues Skateboard erklärt. Es war aus Flugzeug-Aluminium-Sandwich und er hatte mir gezeigt, darauf zu stehen und zu fahren. Dann hatten wir uns für Donnerstagnachmittag an den Skater-Rampen im Schahanschahi-Park verabredet. Das blöde unzufriedene Volk war mir superegal. Der Schah war mir auch egal. Ich konnte gut verstehen, dass alle unzufrieden waren, ich war ja auch unzufrieden und fand, das Land war eine einzige Zumutung, und der Schah könnte sich ruhig mal ein wenig mehr kümmern, damit alles besser organisiert war und man nicht mehr das Gefühl hatte, hier unter Schafen hinterm Mond zu leben. Dabei waren wir sogar in der Hauptstadt. In Rasht gab es noch nicht mal einen ordentlichen Supermarkt, man kaufte Fische und Hühner lebendig auf dem Markt, wo man den Hühnern dann vor aller Augen den Hals umdrehte und mit einem Messer die Kehle durchschnitt. Ich hatte das Blutbad einmal mit angesehen und nie wieder vergessen, denn zu meinem Entsetzen flatterte das Huhn noch ohne Kopf eine Zeitlang in der Blutlache herum.
    »Warum ist denn das Volk unzufrieden, Opa?«, fragte ich und nahm mir noch einen halben Kebab-Spieß. Opa hatte für uns aus einem Restaurant Chelo Kebab bestellt.
    »Na ja, weil sie arm sind. Weil sie sagen, der Schah verschwendet das Geld, das vom Öl verdient wird, lässt sich vom Westen regieren, gibt deshalb alles für unnütze Modernisierungen und Reformen aus, er und alle Imperialisten leben viel zu westlich und luxuriös, und die Armen haben nichts zu essen.«
    »Stimmt das?«, fragte ich streng mit vollem Mund.
    Meine Mutter schüttelte den Kopf.
    »Was sind denn Reformen?«, fragte ich dann. Ich war ziemlich unterbelichtet, da ich im Geschichtsunterricht nie zuhörte, nur den National-Iranian-RadioTV-Sender einschaltete, und so gut wie nichts vom Tagesgeschehen

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