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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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zögerte, ehe sie antwortete: »Nein, ich habe keinen besucht. Ich wurde besucht. Haufenweise kamen diese Leute ins Haus. Und es gab eine Zeit, da … Hör mal, Helen, wenn das alles auf die Bemerkung abzielt ›Ich habe da einen Arzt für dich‹, vergiß es bitte. Ich könnte so etwas nicht nochmal durchmachen – ehrlich nicht.«
    »Okay, okay, war ja nur ein freundschaftlicher Vorschlag.« Sie preßte den Papierbeutel noch mehr zusammen, zielte damit nach einem Drahtpapierkorb und warf daneben. »Ich komme nicht recht voran mit dir, wie?« Sie lächelte. »Du willst meinen Arzt nicht aufsuchen, du willst nicht mal meine Freunde kennenlernen. Oder hast du‘s dir wegen heute abend anders überlegt?«
    Gail senkte den Blick, und Helen seufzte. »Was für eine verrückte Freundschaft ist das eigentlich? Du kennst niemanden aus meinem Bekanntenkreis, und umgekehrt ebenso.«
    »Tut mir leid, Helen, ehrlich …«
    »Ach, entschließ dich doch einfach, Gail, ja? Es wird bestimmt toll. Wenn du erst ein paar von meinen Freunden kennst, hältst du dich für ganz normal!«
    »Um ganz ehrlich zu sein, ich bin keine große Partykanone. Ich fühle mich schnell isoliert, und das bekommen alle zu spüren. Dann bin ich wie eine offene Eisschranktür …«
    »Wer weiß?« Helen grinste, und ihr Mund war wieder clownhaft verzogen. »Vielleicht findet sich ein Knabe, der die Auftauanleitung hat.«
    Gail antwortete nicht.
    Auf dem Heimweg dachte sie über Helens Bemerkung nach, die natürlich zutraf. Sie war noch nie bei Helen zu Hause gewesen oder hatte Helen zu sich eingeladen. Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie sich ihres
    Reichtums schämte. Die seltsame Entdeckung nahm sie so gefangen, daß sie ihre Umwelt vergaß und nichts mehr mitbekam – auch nicht, daß sie wieder verfolgt wurde. Von einem Paar Gucci-Schuhe.
    Mrs. Bellinger schlurfte auf ihren Senkfüßen in der Küche herum. Als sie die Vordertür zufallen hörte, zog sie die Hausschuhe mit den herausgeschnittenen Ballenlöchern aus und zwängte ihre entzündeten Füße stöhnend in normale Schuhe. Gail sollte auf keinen Fall Zeichen des Verfalls an ihr bemerken – dabei waren die Füße schon immer ein Problem gewesen. Erst als Gails Mutter gestorben war, erst als Gail in dem Heim (im Geiste bezeichnete Mrs. Bellinger die Mead-Klinik immer nur als das Heim) untergekommen war, hatte sie sich in ein Krankenhaus begeben und ihre dicken Adern in beiden Beinen behandeln lassen. Aber die Phlebektasie hatte den schlimmen Füßen nicht geholfen, die ein doppelter Anziehungspunkt für alle Hühneraugen, Schwielen und Entzündungen der Gegend waren.
    Sie trat ins Wohnzimmer und fragte: »Gail, Liebling?«
    Aber Gail war zu schnell gewesen. Sie befand sich bereits im Obergeschoß und eilte auf ihr Schlafzimmer zu. Die Haushälterin, die zugleich Mutterstelle vertrat, rief noch einmal, wurde aber nicht gehört; und sie wagte sich nicht auf die Treppe. Mrs. Bellinger wußte kaum noch, wann sie zuletzt die Treppe erstiegen hatte. Natürlich kümmerten sich die anderen Dienstboten um die oberen Gefilde des Hauses; ihr Reich war die Küche. Die Goldstaubzwillinge waren vor langer Zeit in den Süden zurückgekehrt, aber zwei andere hatten ihre
    Stelle eingenommen. Drei Dienstboten für eine Herrschaft mochten manchem Außenstehenden übertrieben vorkommen, aber Mrs. Bellinger wußte, daß eigentlich das Haus Pflege erforderte, nicht Gail Gunnerson. Von Mrs. Bellinger brauchte Gail mehr als hausfrauliche Fähigkeiten, sie brauchte vor allem Liebe. Daran glaubte die Haushälterin fester als an Gott, obwohl sie sogar wochentags in die Kirche ging.
    Sie kehrte in die Küche zurück und beschloß über die Haussprechanlage in Gails Schlafzimmer anzurufen. Die Verbindung war angelegt worden, als sie noch ein junges Mädchen war; ihr Vater hatte die Leitungen während seines letzten Urlaubs gelegt, ehe er nach Südkorea zurückkehrte, um dort von einem Granatsplitter getötet zu werden.
    »Alles in Ordnung, Gail?«
    »Ja, Emma. Alles in Ordnung. Nur übermüdet, wie üblich. Ich wollte mich vor dem Essen noch ein bißchen hinlegen.«
    »Ob du dann heute nacht gut schlafen kannst?«
    »Ich bin sicher, daß ich heute nacht nicht schlafe, ich bin auch sicher, daß ich jetzt nicht mal gut schlummern kann. Aber ich versuch‘s trotzdem.«
    »Liebling, der Mann von der Polizei hat heute angerufen. Ich kann mir einfach seinen Namen nicht merken.«
    »Lieutenant Baldridge.«
    »Genau. Er hat

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