Hinter verzauberten Fenstern
stürmte hinterher. Die Nacht war stockdunkel. Kein Mond. Keine Sterne. Nur der heulende, jaulende Wind. Er pustete ihnen winzige Schneeflocken ins Gesicht und rüttelte mit tausend eisigen Armen an der alten Wendeltreppe. Sie quietschte und ächzte in ihrer Verankerung, als würde sie jeden Augenblick auseinander krachen.
Halb erfroren und völlig außer Atem erreichten die fünf Harrys Wohnung. Julia musste sich erst mal gegen die Hauswand lehnen, so schwindlig war ihr von der schwankenden Treppe.
»Die Tür steht auf!«, sagte Bill.
»Harry?«, rief Barney. »Harry, bist du da?«
Es kam keine Antwort. Nur der Wind stöhnte und heulte, und die alte Tür knarrte in ihren Angeln. Die Wohnung des Prinzen war dunkel.
»Ich hab’s ja gewusst!«, flüsterte Bob. »Ich hab’s gewusst!«
»Lasst uns reingehen!«, sagte Barney. Zögernd betraten sie die düstere Wohnung. Bill machte das Licht an.
»Oje!«, stöhnten die Heinzelmänner. Das Zimmer, in dem sie standen, sah furchtbar aus. Die Stühle waren umgeworfen, der Teppich verrutscht, und Blumentöpfe lagen zersplittert auf dem Boden. Im nächsten Zimmer war es noch schlimmer. Überall auf dem Fußboden lag zerschlagenes Geschirr herum, der Tisch war umgeworfen, Harrys Bett war leer und zerwühlt, und die Bettdecke lag zerrissen daneben.
»Das sieht verdammt nach einer Entführung aus«, sagte Bill düster.
»Das stinkt nach Leo, dem Lügner!«, sagten die andern drei im Chor.
»Was seid ihr doch für schlaue Kerlchen!«, sagte eine Stimme, die Julia nur allzu gut kannte.
Einer der umgekippten Stühle schwebte zurück auf seine vier Beine, und ein höhnisches Lachen spukte durch den Raum.
»Das gibt’s doch nicht!«, stöhnte Bert. Die Heinzelmänner fassten sich bei den Händen und starrten entgeistert auf den leeren Stuhl, der langsam vor-und zurückwippte.
»Das gibt es eben doch!« Der Unsichtbare kicherte. »Ich habe eure Freundin gewarnt. Aber sie wollte ja nicht hören. Da hat Fürst Leopold die Geduld verloren.«
»Was meint er?«, flüsterte Bill.
»Ich meine«, sagte der Unsichtbare, »dass er beschlossen hat, König zu werden, bevor noch mehr dieser lästigen Kinder hier auftauchen und der tattrige König Leos schöne Schokohäuser schließt.«
Entsetzt sahen die Heinzelmänner Julia an, aber die war wie betäubt und brachte keinen Ton heraus.
Wieder erklang das scheußliche Lachen. »Leopold wird Harry einsperren«, rief der Unsichtbare triumphierend, »und den verblödeten König wird er absetzen, und dann – schwuppdiwupp – ist Leo der König. So einfach ist das. Hahaa!«
Der leere Stuhl erhob sich und flog krachend gegen die Wand.
Erschrocken zogen die Heinzelmänner die Köpfe ein, und Barney presste sich schluchzend die kleinen Hände vors Gesicht.
»Macht’s guuuut!«, heulte der Unsichtbare und fuhr wie ein eisiger Wind zwischen ihnen hindurch.
»Du Angeber!«, schrie Julia. »Ich hab dich schon mal verhauen. Und ich mach’s gern nochmal, wenn du willst.«
»Paaah!«, brüllte der Unsichtbare und schleuderte das zerbrochene Geschirr gegen die Wand, dass ihnen Hören und Sehen verging.
»Warte du nur ab, bis Leo König ist!«, zischte die grässliche Stimme direkt hinters Julias Ohr. Wütend fuhr sie herum, aber diesmal war der Unsichtbare vorsichtiger.
»Huuuiiih!«, brüllte er und warf ihnen Harrys Bettdecke über die Köpfe. »An eurer Stelle würde ich mir schon mal eine neue Wohnung suchen!« Und dann knallte er die Zimmertür zu, und es war totenstill.
»Den hast du mal verhauen?«, flüsterte Bert und sah Julia ungläubig an.
»Ja und wie! Der tut nur so gefährlich. In Wirklichkeit ist er ein Feigling.«
»Was machen wir jetzt bloß?«, stöhnte Barney. »Wir sagen den andern Bescheid!«, sagte Bill. Sein Bart sträubte sich vor Wut. »Und dann befreien wir Harry.«
12. Kapitel
Eine Stunde später fand im Wohnzimmer der Elfen eine verschwörerische Sitzung statt. Alle Kalenderhausbewohner waren da – Riesig, der stumme Riese, Bill, Bob, Barney und Bert, die beiden Elfen, Jakobus und Julia natürlich auch. Alle schäumten vor Wut. Schon nach zehn Minuten war es eine beschlossene Sache: Sie alle würden am nächsten Morgen, sobald es hell wurde, zur Schokoladenburg von Leo, dem Lügner, aufbrechen und sich ihren Prinzen zurückholen.
»Dieser Schurke denkt wohl, dass wir Angst vor ihm haben!«, rief Melissa. »Na, der wird sich aber wundern!«
»Wir haben nämlich überhaupt keine Angst!«, zwitscherte Rosalinde mit puterrotem
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