Hinterhalt am Schwarzen Fels
an
Jugenddiabetes ( Zuckerkrankheit ) und musste mehrmals täglich Medikamente
einnehmen. Eine gute Schülerin, sanft und freundlich. Sie wohnte bei ihrer
Tante in der Millionenstadt — weil das Internat keine Mädchen aufnimmt — , kam
täglich, wie viele andere, als Externe zum Unterricht und hatte sich
angefreundet mit Gaby. Rebeccas Vater Dr. Erich Langsasse war der Direktor der
Strafvollzugsanstalt Knaasbergen, in der bekanntlich Deutschlands
Schwerstkriminelle einsitzen: die Monster, die Lebenslänglichen, die Attentäter
und Serientäter. Sie alle sind dort weggeschlossen zum Schutze der
Allgemeinheit, weil in Knaasbergen der Sicherheitstrakt wirklich sicher ist.
Bei Polizei und Strafvollzug besaß Dr. Langsasse den besten Ruf, in der
Unterwelt den schlechtesten; denn aus Knaasbergen war noch nie ein Ausbruch
geglückt. Außer dem riesigen Gelände der Vollzugsanstalt, wie Gefängnisse
offiziell heißen, besteht Knaasbergen nur aus einer Hand voll Siedlungshäuser
und einem Einkaufsmarkt mit beschränktem Angebot. Eine Schule — gar ein
Gymnasium — gibt’s nicht. Deshalb war Rebecca, wohnend bei ihrer Tante, zur
TKKG-Schule gekommen.
Karl machte eine Pause.
»Sehr interessant, Karl«, lobte
Rebecca. »Richtig spannend die keltische Mythologie (Sagen eines Volkes). König Artus’ Tafelrunde ist ja auch Thema von Kinofilmen. Hollywoodfilmen.«
»Vor den Filmemachern ist
nichts sicher«, nickte Karl, erfreut über Rebeccas Begeisterung. »Und ihr, auch
interessiert?«
Klößchen fühlte sich nicht
angesprochen, er schlief.
Tim nickte nachdrücklich.
»Coole Storys.«
»Könnte dir stundenlang
zuhören«, flunkerte Gaby und kicherte in Tims Sweatshirt.
Der Bus fuhr mit Tempo 90 über
die Autobahn. Der Busfahrer hieß Otto Salowski, hatte die besten Jahre hinter
sich und einen Bierbauch bis zum Lenkrad. Aber Otto fuhr sicher und
konzentriert. Klassenlehrer Dr. Jörg Midler saß direkt hinter ihm, groß, blond,
mit einer Unfallnarbe über dem linken Backenknochen. Er sah aus wie ein
Golfprofi und Golf war auch tatsächlich seine Leidenschaft.
An seiner Seite Tanja Hesse,
die begleitende Schülermutter. Sie stammte aus Südtirol, wäre auch als rassige
Italienerin durchgegangen und hatte seit Fahrtbeginn einen rosigen Schimmer auf
dem Gesicht.
Nicht zu übersehen, hatte Tim
gedacht, sie sitzt gern neben Jörg. Die Fahrt ist nach ihrem Geschmack.
Mit einem Gähnen tauchte
Klößchen aus seiner Traumlandschaft auf. »Seht euch diesen verpennten Sack an«,
murmelte er. »Hendrik hat schon geratzt, bevor ich eingeschlafen bin. Jetzt —
uiiih, ist da Zeit vergangen — poft er immer noch wie ein Murmelvieh. Hat
Landres ihm Schlafpillen statt Haschisch verabreicht? Dieser Schlafrausch kann
ja nicht Sinn und Ziel der Klassenfahrt sein.«
»Er sollte sich an dir ein
Beispiel nehmen«, sagte Gaby.
»Meine ich doch.« Klößchen
gähnte abermals.
Ein Handy tirilierte, ein Handy
auf der Rückbank.
Meins ist es nicht, dachte Tim.
Er hatte sich den Anfang von Rossinis Semiramide-Ouvertüre als Alarmsignal
draufgeladen — Musik, die auch einen Halbtoten zum Sprinter macht, gespielt von
den New Yorker Philharmonikern unter Leonard Bernstein.
Das Rufzeichen klang wie Gabys
Gerät und sie fummelte es auch schon aus der Windjackeninnentasche und meldete
sich.
»Hallo, Mami!«, meinte sie
überrascht. »Ja, uns geht’s gut. Sooo gut! Allen. Wir sind auch bald da, und
wenn das Wetter so bleibt, muss ich meinen Regenponcho gar nicht auspacken. —
Wie?« Verblüfft sah sie die Jungs an. »Mami, sag das noch mal! Habe ich richtig
verstanden?«
Tim registrierte: Pfotes
Kornblumenaugen werden größer und größer. Aber auch beim Ausdruck größter
Verwunderung — Gaby sieht immer intelligent aus. Bei anderen denkt man dann,
sie sind am geistigen Limit — und dazu braucht es nicht viel. Aber nicht bei Pfote.
Wenn sie traurig ist, möchte ich sie in die Arme nehmen — aber mit mindestens
zwölf Armen. Wenn sie sich fürchtet, stelle ich mich vor sie und um sie herum
auf allen vier Seiten. Dann vervierfache ich mich zum Rundumschutzschild. Aber
das geht nur bei der Richtigen.
Während er das dachte,
beobachtete er die Gemütslage seiner Freundin. Gaby hörte ihrer Mutter
aufmerksam zu, warf aber immer wieder gefühlsbetonte Floskeln ein.
»Nicht möglich, Mami! — Ich
glaub’s nicht! — Ist das wahr?! — Wieso, wieso? — Uiiih, uiiih! — Da wird ja
das Öl in der Pfanne verrückt. — Und keiner weiß,
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