Hinterhalt am Schwarzen Fels
nicht
jedermanns Sache ist. Als Paulmann vor Jahren hier seinen Dienst begann, hatte
er gedacht, dass man das als Schikane auslegen könnte. Aber das steckte
sicherlich nicht dahinter. Nur sieben Einzelzellen waren mit diesem »Fehler«
behaftet. Bei allen andern stimmte die Einrichtung, der Architekt hatte
aufgepasst, und das Klo befand sich in der größtmöglichen Entfernung vom Bett.
Immerhin — soweit Paulmann wusste, hatte sich niemals ein Häftling beschwert.
»Hast Besuch, Mulka.«
Der Häftling legte sein Buch
aufs Kopfkissen und stand auf. Er trug Anstaltskleidung, war 32, hatte
schwarzes Haar, gummiartige weißliche Haut und eng stehende Augen.
»Wer?«
»Da fragst du? Diese Frau.«
»Paola?«
»Ja, Paola Beneviste. Solltest
du wissen.«
»Hier verblöde ich langsam.
Weiß kaum noch, wie ich heiße.«
»Aber, aber!«
»Liegt am Umgang, Paulmann.
Kulturell genügst du mir nicht.«
Der Wachtmeister grinste
gutmütig. »Ich bin auch nicht da zu deiner Fortbildung oder deiner
Unterhaltung. Also los!«
Sie gingen den Flur entlang,
mussten durch zwei Gittertüren, einen weiteren Flur hinunter und waren doch
noch nicht bei dem Raum für Besucher. Trotz der 1800 Häftlinge — Besuche waren
nicht an der Tagesordnung. Wegen der geballten Schwerstkriminalität, die hier
hinter Stahlbetonmauern verwahrt wurde, hatte man den Publikumsverkehr erschwert
und weitmöglichst beschränkt. Besuche mussten zwei Wochen vorher angemeldet
werden, wurden nicht immer bewilligt und bei positiver Entscheidung mit
Argusaugen überwacht.
»Kannst du mir mal was
verraten, Mulka?«
»Paulmann, dir sage ich doch
alles.«
»Vor drei Wochen war die Frau
schon mal hier.«
»Aha.«
»Weißt du nicht, wie? Na,
will’s mal glauben. Da hat sie deinen Kumpel besucht.«
»Onlip oder Federmann?«
»Federmann.«
»Gut, das zu hören.«
»Du hast es wirklich nicht
gewusst?«
»Wie sollte ich. Seit wir hier brummen,
dürfen wir nicht miteinander reden, haben null Kontakt. Ich habe schon zweimal
Beschwerde eingelegt. Aber ohne Erfolg. Der Richter denkt wahrscheinlich, dass
in Deutschland die Demokratie weggefegt wird, wenn wir drei uns unterhalten.«
»Habt ihr euch selbst
zuzuschreiben.«
»Jaja.«
»Jedenfalls verrat mir mal:
Wieso besucht sie erst Federmann und jetzt dich? Ist sie eure reitende Botin
für heimliche Mitteilungen?«
»Quatsch!«
»Das — ich sage es dir gleich —
würde nicht funktionieren. Wir passen auf jedes Wort auf.«
»Willst du wissen, warum sie
kommt? Aus Mitleid. Aus Anhänglichkeit.«
»Wieso? Ist sie auch eine wie
ihr?«
»Natürlich nicht. Aber... sie
war meine Freundin. Schon ‘ne Weile her. Aber es war eine echt gute Beziehung.
Beinahe hätte ich Paola gefragt, ob sie mich heiraten will.«
»Und?«
»Dann lernte sie Federmann
kennen. Das heißt, ich brachte ihn mit. Und Paola entdeckte ihre große Fiebe —
die einzige und wahre. Hintergangen hat sie mich nicht. Aber sie sagte mir,
dass es aus sei. Mit Federmann war sie dann zusammen bis zur... Festnahme. Aber
sie hat von nichts gewusst und war nirgendwo beteiligt. Kurt hat immer scharf
getrennt zwischen Privatleben und — unseren Aufgaben.«
Hm!, dachte Paulmann.
Vielleicht stimmt’s. Vielleicht lügt er mir die Hucke voll.
Mulka blickte ernst und ein
wenig traurig, wäre aber innerlich fast explodiert vor unterdrücktem Lachen.
Diesem Tölpel konnte man wirklich jeden Grizzly (großer Bär) aufbinden.
Paola war nie seine oder Federmanns Freundin gewesen. Und natürlich wusste er,
Mulka, längst, dass und weshalb sie hier gewesen war. Die Kassiber, die
schriftlichen Botschaften unter Gefangenen, liefen auch hier von Zelle zu
Zelle. Onlip, Federmann und Mulka sahen sich zwar nicht, tauschten aber
Informationen untereinander aus — fast wie am Telefon.
Paola war vor drei Wochen als
Besucherin bei Federmann gewesen, weil der in der Gefängnisbibliothek arbeitete
und Zugriff hatte auf sämtliche Bücher. Ihm, Federmann, hatte sie die erste
Info zukommen lassen. Heute war Mulka gefragt. Weil er ein Zahlengedächtnis
besaß wie ein Computer. Mulka wusste: Er würde höllisch aufpassen müssen.
Paulmann öffnete eine Tür. Sie
traten in den Besucherraum.
Er war lang und schmal. In der
Mitte wurde er unterbrochen von einer Barriere, bestehend aus einer hüfthohen
Mauer, auf der eine Scheibe aus Panzerglas angebracht war — in voller Breite
und Höhe des Raums. Zu beiden Seiten stand je ein Stuhl, hier für den Häftling,
drüben
Weitere Kostenlose Bücher