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Hinterhalt am Schwarzen Fels

Hinterhalt am Schwarzen Fels

Titel: Hinterhalt am Schwarzen Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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über mannshohen Maschendrahtzaun. Er verlief entlang
der schmalen Forststraße und begrenzte das weitläufige Gehege der Wölfe.
    Von denen war im Moment keiner
zu sehen. Doch im Hintergrund mischten sich Gesträuch und dickichtartige
Tännchen unter die hohen Bäume. Dort wimmelte es möglicherweise von Isegrims.
    Dr. Midler, der vorn stand, bemerkte
Tim und machte eine fragende Geste. Tim reckte den linken Arm und zeigte
grinsend seine Uhr. Damit war das erledigt, und seine Freunde, die ja Bescheid
wussten, blickten verschwörerisch und ebenfalls fragend.
    Der TKKG-Häuptling schüttelte
den Kopf. »Nichts.«
    Enttäuschte Mienen. Gaby hob
die Schultern.
    Dr. Midler, der sich offenbar
wie in den Ferien fühlte, rief: »Karl, erzähl mal was über Wölfe!«
    »Gern!« Der Professorensohn
nahm die Nickelbrille ab und polierte die Gläser am Sweatshirt. »Der europäische
Wolf, lateinisch Canis lupus, gehört zu den hundeartigen Landraubtieren, war
früher in Nord- und Osteuropa verbreitet, bevorzugt als Lebensraum den Wald und
das Gebirge. Im Sommer leben die Wölfe paarweise und ziehen gemeinsam die
Jungen auf. Im Winter scharen sie sich zweckmäßig zu Rudelverbänden zusammen —
weil das die Jagd erleichtert, vor allem auf große Beutetiere. Da er sich auch
am Vieh der Bauern vergriff, wurde der Wolf in der Vergangenheit nahezu
ausgerottet. Aber in Naturschutzgebieten wie hier bietet man ihm jetzt wieder
Lebensraum und vor allem in Osteuropa verbreitet er sich zurzeit ziemlich
rasch. Im Rudel herrscht eine strenge Rangordnung, manchmal ist ein erfahrener
Leitwolf der Anführer, sozusagen das stärkste Männchen, oft aber auch eine
Wölfin. Zwischen März und Mai bringt sie vier bis sechs Junge zur Welt, die in
der ersten Zeit mit absolutem Mutterinstinkt versorgt werden. Alle Hunde vom
Rehpinscher bis zum Bernhardiner stammen vom Wolf ab. Hat jemand Fragen?«
    Claudia, die rassige Tochter
von Tanja Hesse, hob wie in der Schule den Finger. »Kann man Wölfe abrichten,
Karl — dressieren wie einen Hund, zur Heimtierhaltung, zum Gassigehen?«
    »Ist noch nie gelungen«,
erwiderte Computer-Karl. »Wolf bleibt Wolf, er lässt sich nicht verhausschweinen
— äh — domestizieren. Alle Versuche sind gescheitert. Sobald der Wolf von der
Leine war, ist er getürmt und ab in die Wälder auf Nimmerwiedersehen. Seine
Erbmasse lässt offenbar was anderes nicht zu.«
    »Hoffentlich sehen wir mal
einen«, meinte Lothar Ungewohl, der als faulster Schüler der Klasse galt.
    Als hätte Isegrim auf sein
Stichwort gewartet, trat in diesem Moment ein großer grauer Wolf aus dem
Dickicht. Ein Rüde, wie Tim sah. Aus einer Entfernung von etwa 60 Metern
blickte das Raubtier herüber zur 9b, und Tim meinte, Blickkontakt zu haben mit
den gelb schillernden Augen. Aber das dachte er offenbar nicht allein.

    »Er sieht mich an«, flüsterte
Gaby, die neben Tim stand.
    »Logo. Er will dich fressen.«
    »Bin doch nicht das
Rotkäppchen.«
    »Heute stehen Blondinen auf
seiner Speisekarte.«
    »Spinner! Die Wölfe hier werden
vom Förster versorgt.«
    »Ich weiß. Morgens Müsli,
mittags Nudeln, abends Obstsalat. Kein Wunder, dass dem Graufell die Spucke im
Rachen blubbert beim Anblick von so einem Frischfleisch-Teenie wie dir.«
    »Aber du würdest dein
18-teiliges Taschenmesser aufklappen und mich verteidigen.«
    Als Antwort legte Tim den Arm
um seine Freundin und küsste sie auf die Wange. Dabei wisperte er: »Ich habe Telefonnummern.«
    »Was?«
    »Telefonnummern aus Landres’
geheimem Rufnummerverzeichnis. Außerdem ist er mit fünf Edel-Kreditkarten
ausgestattet. Entweder ein peinlicher Angeber, oder er hat mehr Kohle, als ein
Bodyguard verdienen darf. Wir reden nachher darüber.«
    Gaby pustete gegen ihre
Ponyfransen und steckte die Wildrose fest, die aus dem Haarband gerutscht war.
    Nach und nach kamen noch einige
Wölfe hervor, vor allem Jungtiere — die Mädchen fanden sie zum Knuddeln. Die
Jungtiere reckten sich, gähnten, spielten miteinander, zwickten sich balgend in
Schwänze und Ohren.
    Klößchen wollte eine
Nusscreme-Semmel opfern und über den Zaun werfen, aber Midler gebot Einhalt.
Das bekomme den Tieren nicht.
    Dann — auf dem Rückweg —
erinnerte der Klassenlehrer an das weitere Programm, das seit langem feststand
und ganz nach dem Geschmack der Schüler war. Denn heute sollte der Tag
besonders lang werden — mit einer Nachtwanderung.
    »Fünf Fackelträger gehen
voran«, erklärte Midler. »Die tragen nicht nur

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