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Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Titel: Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Freitag an.« Mrs Madden schenkt demjenigen, der die Kamera hält, ein gesittetes Lächeln. »Wie war ich, Thumper?«
    »Thumper?«, wiederholt Mike.
    Eine männliche Stimme, dessen Besitzer nicht im Bild zu sehen ist, sagt: »Perfekt, Bunny.«
    Die Stimme hat einen Kerry-Akzent, obwohl ihr Besitzer manchmal auch nach Belfast klingt, wenn er bedrohlicher rüberkommen will.
    »Bunny?«, Mike kotzt das Wort heraus. »Ich …«
    Ihm fehlen die Worte. Ich an seiner Stelle würde den Computer oder Calvin erschießen, bevor alles noch schlimmer wird, aber im Moment hat er seine sieben Sinne nicht beisammen.
    Und es kommt tatsächlich noch schlimmer. Mucho schlimmer.
    »Schalt die Kamera aus«, sagt Mrs Madden.
    »Hab ich doch schon gemacht«, lügt Tommy Fletcher.
    Tränen treten Mike in die Augen, und er stopft sich die Hand in den Mund, um zu verhindern, dass ein Schluchzer entweicht.
    Plötzlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Mike hat genug gesehen. Kein Sohn hat verdient, mit ansehen zu müssen, was jetzt gleich kommt.
    Okay. Was gesagt werden musste, wurde gesagt. Eigentlich wollte ich Mike mit der Nase drauf stoßen, aber ehrlich gesagt würde ich ihn jetzt lieber erschießen, als ihm das anzutun.
    »Ist schon gut, Calvin«, sage ich. »Du kannst jetzt auf Pause gehen.«
    Calvins Augen verlassen die Leinwand nicht. »Halt’s Maul, McEvoy. Du bist nicht mein Boss.«
    Für Streit ist keine Zeit. Mit jeder Sekunde, die das Video weiterläuft, wird Mike ein weiterer Nagel in die Seele getrieben, also stehe ich auf und mache zwei rasche Schritte auf Calvin zu, drücke auf die Leertaste, halte das Video an, und Mrs Maddens Gesicht erstarrt.
    »Den Rest willst du nicht sehen«, erkläre ich Mike. »Glaub’s mir.«
    »Mami«, sagt Mike. »Mami.«
    Manny und sein Nasenbart haben diesen Moment gewählt, um hereinzuplatzen.
    »Hey, Mike. Hübsche Alte. Tanzt die später auch noch?«
    Mike greift in die Tasche, und als er sie wieder herauszieht, blitzt Messing an seinen Fingerknöcheln auf.
    »Raus hier«, sagt er zu mir, und ich schwöre bei Gott, ich würde jetzt keine Wetten gegen diesen Mann abschließen, auch nicht, wenn er mit Mike Tyson auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den Ring steigen müsste.
    Ich zwinkere Calvin zu und forme mit den Lippen: Ich hol nur schnell mein Handy.
    Fünf Sekunden später bin ich draußen, lasse der Tür keine Zeit, mir an den Arsch zu klatschen.
    Ich hoffe, Manny Booker bleibt am Leben, weil mir gefällt, dass sich sein Name auf Tranny Hooker reimt. Das Geräusch von berstendem Glas kommt unter der Tür durch, und ich weiß, dass sich Manny zumindest einige Zeit lang nur noch mit Strohhalm ernähren wird.
    Was soll’s? Sollen sie doch übereinander herfallen. Vielleicht gewinnt Manny ja sogar.
    Mir ist es egal, sage ich mir. Ich oder jemand anders, der nicht ich ist.
    Das laute Krachen von splitterndem Holz dringt auf die Straße hinaus. Ich schaue auf meinem Handy nach den passenden Tweets. Aber da ist nichts. Selbst meine Geräte weigern sich, mir Trost zu spenden.

KAPITEL ZWÖLF
    Will man bis zu seinem Tod am Leben bleiben, darf man nichts tun, was einen umbringt, das ist der Trick.
    Diese goldene Weisheit habe ich mir bis fast zum Schluss aufgehoben, weil sie scheinbar so naheliegt, dass vielleicht ein paar Leute mit den Zähnen knirschen. Bei den meisten bedeutet das wenig mehr, als dass sie einfach so weitermachen wie bisher, nur vielleicht ein bisschen sparsamer mit der Mayonnaise umgehen, schließlich ist das nichts anderes als Fett in Tuben.
    Bei Daniel McEvoy sieht das anders aus. In letzter Zeit scheine ich mich sehr anstrengen zu müssen, um nicht ständig mitten in irgendeiner Scheiße zu landen, die plötzlich überall in dieser Bilderbuchstadt – ansonsten eine Oase der Ruhe und Sicherheit – am Dampfen ist.
    Ich muss gestehen, dass mir so viel Zuwendung seitens des Sensenmannes zu schaffen macht. Okay, wenn man mit kugelsicherer Weste an der Front steht, rechnet man damit, Geschosse und Splitter abzubekommen, aber ich bin jetzt schon seit knapp zwei Jahrzehnten nicht mehr in dem Verein und muss trotzdem noch täglich Kugeln ausweichen.
    Wenigstens habe ich eine kleine Atempause bei Irish Mike Madden herausgeschunden, wobei auch diese zweifellos zeitlich begrenzt sein wird. Mike wird sich schon bald einfallen lassen, wie er aus der Nummer wieder herauskommt, und mich dann auf irgendeine bescheuerte Selbstmordmission schicken. Ich kann nicht ewig so weitermachen.

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