Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
Nachbarschaft vor nicht allzu langer Zeit eine Erektion deutlich sichtbar war. »Der ist gut. Ich könnt mich wegschmeißen, Bürschchen.« Dann bedenkt er Calvin mit einem vielsagenden Zwinkern, das bedeutet: Jetzt ist es Zeit für ernsthafte Geschäfte, und seine Nummer zwei schiebt Mona zur Tür hinaus.
»Ich bringe die Menschen gerne zum Lachen«, sage ich. »Wenn ich die Schangse habe.«
Mike stiert mich an. »Hey, pass auf, was du sagst. Nur weil wir miteinander lachen, heißt das nicht, dass ich gut auf dich zu sprechen bin.«
Bitte, lieber Herr Jesus, stopf mir mein dummes bewältigungsstrategisches Maul.
Mike sitzt aufrecht da, bereitet sich auf seine ernste Rede vor. Genug mit den Stripperinnen gescherzt.
»Du hast gestern Abend dein Todesurteil unterzeichnet, Kleiner«, sagt er und kommt direkt zum Punkt.
Ich denke, dass ich das schon lange vorher unterschrieben habe, wegen gestern Abend wurde wahrscheinlich nur der Hinrichtungstermin ein kleines bisschen vorverlegt, aber da ich kürzlich mit einem Dildo verprügelt wurde, ist meine Urteilskraft nicht ganz verlässlich.
Außerdem habe ich noch einen Trumpf im Ärmel: das Video von Tommy.
»Okay, Mike. Warum gibst du mir nicht die Gelegenheit, mich zu verteidigen?«
»Bist du nervös, Danny?«, fragt Mike und rollt ein leeres Whiskeyglas über den Tisch. Es klappert und knackt, was wirklich nervt, und ich muss mit den Zähnen knirschen, um Mike nicht auf die Finger zu hauen.
»Mir geht’s gut, Mike«, sage ich ruhig. »Ich habe schon mit schlimmeren Leuten in tieferen Löchern gesessen.«
Mike sammelt sich und versucht tief in seinem Inneren echte Wut zu generieren.
»Du bist zu mir nach Hause gekommen«, sagt er schließlich. »In mein verdammtes Haus.«
»Ich saß in der Klemme, Mike. Wegen dir.«
»Du bist zu weit gegangen, McEvoy.«
Das muss das Schlüsselwort sein, denn Mikes Handlanger springen auf und ziehen protzige Pistolen. Schwer zu glauben, dass in einem Erste-Welt-Land immer noch solche Wildwesttypen existieren. Ich merke, wie sich ein vertrauter Schleier auf mein Gehirn legt und die Stromkreise unterbricht. Ein Abschätzen langfristiger Konsequenzen ist jetzt unmöglich.
»So bin ich, Mike. Ich gehe ständig zu weit.«
»Erst verliere ich meine Mutter, dann lauerst du mir in meinem Garten auf und bringst das Leben meiner Tochter in Gefahr. Wir mögen zwar auf der falschen Seite des Gesetzes stehen, McEvoy, aber es gibt doch so was wie einen Ehrenkodex.«
»Den dir deine liebe verschiedene Mutter beigebracht hat«, werfe ich ein.
Mike nimmt den Faden dankbar auf, freut sich, dass ich ihm einen Übergang zum nächsten Abschnitt seines Vortrags geliefert habe. Sein fettes Kartoffelgesicht glüht vor Freude über den glücklichen Zufall.
»Ja, genau, Kleiner. Wo ich herkomme, kümmert sich der Mann um seine Familie und tut, was ihm seine Mami sagt.«
»Egal was sie ihm sagt?«
Mike pflanzt ein Küsschen auf seinen Finger und schmiert es über das Foto an seinem Jackenaufschlag.
»Aufs Wort. Meine Mam hatte etwas Weises. Manchmal habe ich gedacht, sie hatte was von einer Zauberfee.«
Zwei von Mikes Jungs summen »My Heart’s Across the Sea in Ireland«, aber so leise, dass ich es mir vielleicht auch nur einbilde.
»Meine Mami hat uns acht Kinder mit nur drei Shilling im Monat durchgebracht. Acht!«
Leck mich, nicht mal JFK wurde posthum durch eine so unglaublich rosa getönte Brille betrachtet.
Ich gebe den Iren. »Ja, ja, eine Heilige, das war sie.«
»Das war sie wirklich«, schnieft Mike. »Und ich habe sie nicht mal verabschiedet.«
Schon wieder wechselt er den Kurs. Launenhaft, so kennen wir unseren Mike.
»Aber ich kann dich verabschieden.« Er grinst, die Tränen auf seinen Wangen folgen seinen Falten. Sein Gesicht erinnert mich an die Bewässerungskanäle auf einem Reisfeld. »Du hast meine Familie bedroht.«
Ich sehe, worauf er hinauswill. Klassische Rechtfertigungsstrategie. Mike sieht sich nicht als Monster, deshalb muss er seine Argumente darlegen, nur für den Fall, dass Gott zusieht.
»Mike, bevor du mich in Plastik wickelst, will ich dir was zeigen.«
»Wirklich? Du machst auch keinen Blödsinn, Kleiner? Ich bin nicht in Stimmung. Es ist schon Mittag durch, und ich hab die Sackkanone noch nicht abgefeuert.«
Ich ziehe langsam mein Handy aus der Tasche. »Mike, das musst du dir ansehen. Deine Mam würde wollen, dass du’s siehst.«
Mike nimmt mir das Handy mit seinen dicken Fingern aus der Hand.
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