Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
Ich muss der Sache mit Mike einen Riegel vorschieben.
Mein Twitter-Vögelchen zwitschert, und ich lese Simons neueste kluge Kommentare.
Normal ist eine Frage der Perspektive. Es sei denn, du bringst Leute um oder zeigst dich nackt vor Schulmädchen. Das ist nicht normal.
Wann bin ich mit dem Normalsein dran?
Ich stehe auf dem Bürgersteig draußen vor Sofias Haus, und allein aufgrund ihrer Nähe klopft mein Herz, und ich denke:
Wenn du normal sein willst, Dan, dann lauf jetzt weg.
Aber ich laufe nicht weg. Ich denke gar nicht dran.
Sofia öffnet die Tür im Bademantel, ihre Haare sind nass, und das Gesicht ist ungeschminkt.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Wenn Sofia keine Rolle spielt, versinkt sie normalerweise in den schattigen Tiefen ihrer Depression. Das sind die Nächte, in denen ich auf der Couch schlafe, nur um sicherzugehen, dass nichts Schlimmes passiert. Bislang hat Sofia es alleine geschafft, aber ich fühle mich verantwortlich, weil ich ihr gestattet habe, abhängig zu werden. Damit habe ich mir eine riesige Last auf die breiten Schultern geladen, und ohne mich wäre diese wunderschöne Dame vollkommen alleine auf der Welt.
Vielleicht tut es aber auch nur meinem Ego gut, mir einzureden, dass Sofia Delano ihren ungehobelten Kriegsveteranen Daniel McEvoy braucht.
»Hey, Dan«, sagt sie, und aus der knappen Begrüßung kann ich zwei Dinge schließen. Erstens: Sofia weiß, wer ich bin. Und zweitens: Sie ist ganz ruhig, was bedeutet, dass sie ihr Lithium genommen hat.
Ich hab’s leichter mit ihr, wenn Sofia ihre Medikamente nimmt – ich will nichts anderes behaupten –, aber manchmal wünschte ich, es gäbe einen Ort da draußen, an dem ihre Durchgeknalltheit akzeptiert wird. Wenn sie diese Facette ihrer Persönlichkeit anknipst, fühle ich mich zu ihr hingezogen wie die Motte zur Neonröhre.
Vielleicht sollten wir nach Hollywood ziehen. Oder nach Galway.
»Hi Sofia, Darling«, sage ich und lege ihr meine Hände auf die Schultern wie Epauletten. »Wie fühlst du dich?«
Sie lehnt sich an mich, presst ihre Wange an meine Brust, und wenn wir immer so verharren könnten, wäre mir das recht, obwohl der kleine Dan dadurch eher früher als später auf Ideen kommen würde. Ich genieße den Augenblick, so lange er dauert, streiche ihr blondes Haar glatt und denke, dass es kaum etwas Intimeres gibt, als einer Frau über den Kopf zu streicheln. Ich denke auch, dass ich diese Theorie Zeb gegenüber nicht erwähnen werde, weil er sich bestenfalls darüber nur schlapplacht.
»Ich fühle mich besser«, sagt sie. »Immer noch ein bisschen vernebelt in meinem dämlichen Kopf, aber schon besser. Ich habe von einem Hammer geträumt.«
Ich ziehe sie näher an mich heran. »Das war nur ein Traum. Hier gibt’s keinen Hammer.«
Sie schaudert in meinen Armen. »Gut. Ich hab ja schon allerhand Sachen gemacht, Dan, aber ein Hammer? Wenn ein Hammer ins Spiel kommt, wird es Zeit, von einer Brücke zu springen.«
»Hier gibt’s keinen Hammer«, sage ich noch mal. »War nur ein Alptraum. Du musst deine Pillen nehmen.«
Sofia macht ein paar Schritte zurück, und ich bedaure, dass ich die Medikamente erwähnt habe.
»Das verstehst du nicht, Daniel«, sagt sie mit gerunzelter Stirn. »Nach den Pillen bin ich nicht ich selbst. Sie ziehen das ganze Leben aus mir heraus. Vielleicht habe ich nicht die Stärke, jemanden zu verletzen, aber ich kann auch niemanden wirklich lieben. Ich bin wie eine Attrappe aus Pappe. Du weißt nicht, wie sich das anfühlt, aber dafür kannst du nichts.«
Sie streckt ihre Hand aus wie einen Olivenzweig.
»Du bist der Einzige, Dan. Wenn du mich nicht besuchen würdest, ich wüsste nicht, was aus Sofia Delano werden sollte. Nichts Erfreuliches, das steht fest.«
Ich schlage die Tür mit einem kleinen Hackentritt zu. »Ich besuche dich, so oft und so lange du willst. Mach dir keine Sorgen. Alles wird besser.«
Sie lacht, weil das so ein Scheißsatz ist, aber das macht mir nichts aus, weil Lachen doch nur gut sein kann, oder? Jedenfalls besser als ein Hammer.
»Besser? Oh, Dan, du irisches Arschloch. Wie lange bist du jetzt schon hier? Hier wird niemals etwas besser. Der ganze scheußliche Mist quillt aus New York heraus, und was nicht im Hudson untergeht, wird in Jersey angeschwemmt.«
Das ist ein ziemlich unfreundliches Bild und für meinen Geschmack auch ein bisschen zu nah an der Wahrheit dran, also widerspreche ich, obwohl ich genau weiß, dass es Zeitverschwendung
Weitere Kostenlose Bücher