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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hole dich in der Vergangenheit ab und bringe dich nach Hinterkaifeck.«
    »Und der Handel dabei ist ...?«
    »Eine der Erwähnung unwürdige Gefälligkeit.«
    »Lass mich raten: Ich soll den jungen Hitler vor dem Russlandfeldzug warnen.«
    »Ich hatte einmal einen verwachsenen Hofnarren, der war genauso komisch. Nein, nur eine winzige Kleinigkeit. Du wirst doch in Hinterkaifeck Zeuge eines Mordes werden. Nun, zu der ermordeten Familie gehört auch eine aufregend schöne Tochter im sinnlichsten Alter. Ich hätte gerne ihren Kitzler. Als Ohrschmuck.«
    Das Türkis von Hiobs Augen flackerte kurz, aber nur für den Bruchteil eines Augenblicks. »Weißt du eigentlich, dass es Sauereien wie diese sind, die mich dazu gebracht haben, euch mit jeder Faser meines Daseins zu hassen und zu bekämpfen?«
    »Ach, du hasst uns? Du bekämpfst uns? Komisch, von hier aus sieht es so aus, als würdest du mit uns spielen, so wie Freunde miteinander spielen.«
    »Mehr so, wie eine Katze mit der Maus spielt, Munsa.«
    Der König lehnte den Oberkörper weit zurück und lachte, lachte zusammen mit seinem Äffchen aus vollem Halse, ein nicht enden wollendes, ehrlich belustigtes Lachen. In Hiob schäumte der Hass hoch wie kochender Reis, schoss hinter seinen Augenbrauen über und brach sich als Blut aus der Nase Bahn. Mit dem Handrücken wischte er sich ab, wieder ganz ruhig. Er hatte wieder sein Blut gegeben. Seine Nerven waren tot.
    »Ich verstehe das richtig: Ich soll die Klitoris aus dem Mädchen rausschneiden, nachdem der Killer sie umgebracht hat.«
    Munsa wischte sich Lachtränen von den Wangen. »Ja, natürlich.«
    »Und wie soll ich das anstellen, als immaterieller Geist?«
    »Na, lass dir was einfallen! Das ist doch sonst auch deine Art, dir was einfallen zu lassen.«
    »Gut, Munsa. Der Handel gilt.«
    »Der Handel gilt?«
    »Der Handel gilt.«
    »Ausgezeichnet. Hast du dann noch weitere Fragen?«
    »Nein. Ich laufe die Treppen hoch, und wir treffen uns oben vor siebzig Jahren.«
    »Nicht oben, aber so ähnlich. Lass dich überraschen.«
    Hiob schnaubte verächtlich und setzte den linken Fuß auf die unterste Stufe. Er fühlte sich merkwürdig, wie mit Helium hinter den Augen. Gibt es eigentlich ein griffiges Fremdwort für Furcht vor der Zeit?, überlegte er. Chronophobie? Äußert die sich dann auch in dem drängenden Gefühl, dass man der eigenen Vergangenheit besser ausweichen sollte?
    »Sag mal«, forderte er, »ist der Typ in deiner bescheuerten Messergeschichte eigentlich auch in so einem Rhythmus die Treppen hochgewetzt, oder mach ich mich hier nur wieder mal zum Arsch?«
    »Meine Geschichte, Hiob, war nur eine Geschichte. Deine Geschichte dagegen wird niemals Geschichte werden. Und jetzt lauf zu, Zeit ist kostbar.«
    (Licht in der blaugefrornen Nacht
    Licht klein, Schnee so tief
    immer tiefer
    der Hof
    Heimat, dort
    Magdaleen)
    Es war ein harter, kalter Tag gewesen, mit fast nichts Sinnvollem zu tun.
    Der Kall war – dem Sturm trotzend – wieder ins Dorf unten gegangen, hatte sich wieder bei der Post erkundigt nach der Stelle, aber der alte Seegersch war immer noch gesund und konnte keine Vertretung gebrauchen. War sonst immer krank gewesen zu dieser Zeit des Jahres, bei dieser Art von Wetter, der alte Seegersch, aber heuer nicht.
    Die anderen waren umeinandergelaufen, hatten sich angestarrt, angeschwiegen, hatten auf den Wind geschimpft und zornig die Fäuste gegen den Sturmhimmel geballt. Der Diffringer hatte Holz gehackt, die Marie hatte es in der Stube gestapelt. Der Luit hatte eine leise Bemerkung gemacht über den Duft frisch geschlagenen Holzes.
    Am Abend war der Kall wütend, in der Kälte dampfend wie ein Pferd, zurückgekehrt und mit seinen schneenassen Schuhen im ganzen Haus auf und ab gewandert. Dabei war er auch am Zimmer seiner Schwester vorbeigekommen, und die Tür war nur angelehnt. Er konnte den weißen Milchtropfen sehen, der über ihre schöne, volle Brust lief, als das Josefchen kurz mit Trinken absetzte. Kall blieb nicht stehen, ging weiter auf und ab, bis die Mutter ihn endlich zur Ruhe schalt.
    Ächzend wälzte sich die erste hundlose Nacht herauf.
    Nach der abendlichen Brotzeit, nach der nichts mehr übrig war von der letzten Kuh, gingen alle in ihre Betten.
    Es war kalt im Haus, denn der Diffringer sparte am Holz.
    Als Letzter blies Luit sein Nachtlicht aus. Er hatte noch ein wenig gelesen, was verboten war, ein Buch mit Gedichten von Höderlin, so abgewetzt, so tief. Jetzt lag er wach und

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