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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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den Leichen der wackeren TelefonistInnen, oder er hatte einfach Hiobs Telefonleitung ein bisschen tiefergelegt. O nein. O nein o nein o nein. Es gab keine Rettung mehr, keine Verbindung nach draußen.
    Gut, wenn es denn bestimmt war, dass Hiob hier verreckte, dann wollte er wenigstens noch die Genugtuung haben, seinem Gegner seinen Hass artikulieren zu können. Er wählte noch mal, dann wieder, und schließlich auch wahllos irgendwelche Nummern, die ihm gerade einfielen oder die er frei erfand. Aber die Leitung blieb jetzt jedes Mal tot, da war nicht mal mehr ein Freizeichen für ihn. Sie war tot, er war tot, alles war erledigt.

V
    Mit der Zeit, während er so dalag und vor sich hinstarb wie ein angeschossenes Wild im Halbdunkel dornigen Strauchwerks, konnte er auch das Leben der anderen wieder hören. Mittlerweile war wohl doch irgendwie Tag geworden oder zumindest etwas Vergleichbares. Füße tappten über seine Wohnungszimmerdecke, andere sprangen munter die Treppen im Treppenhaus runter und sangen kinderstimmig vor sich hin. Eine Waschmaschine lief und versetzte alles in weiche Vibrationen. Jemand saugte über ihm schabend Staub. Immer wieder wurden Klospülungen betätigt, Wasser rauschte, und Fäkalien klapperten die Rohre hinab. Gegen den wohl so bezeichnenden Mittag fing es an, lecker nach Schweinekotelett zu riechen, und Hiob fing wieder an zu flennen. Sein Hunger war so groß. Durst hatte er komischerweise überhaupt nicht mehr.
    Er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu bewegen. Er hätte versuchen können, zur Wohnungstür zu kriechen und dagegen zu klopfen, weil er die Klinke nicht erreichen konnte. Aber in diesem Haus wurde oft den ganzen Tag lang gehämmert oder gebohrt, niemandem wäre das als Hilferuf aufgefallen. Beim Schreien machte seine völlig dehydrierte Kehle nicht mehr mit. Er wäre jetzt gerne in das kleine Zimmer gekrochen, wo er malte und seine Bilder standen. Er spürte eine schon seit längerer Zeit so nicht mehr empfundene Hingezogenheit zu seiner Kunstmaler-Persönlichkeit. Inmitten seiner unverkäuflichen Schreckensvisionen zu krepieren – das war wenigstens noch ein Tod, der ihm so was wie posthumen Ausstellungserfolg sichern würde. Er hätte sich auch gerne wenigstens auf den Rücken gedreht, um nicht auf dem Gesicht liegend zu verenden, sondern wie einer im Sarg so was wie Würde ausstrahlen zu können, aber das ging nicht mehr. Seine Arme waren mittlerweile so tiefreichend zersetzt, dass sie zu nichts mehr taugten, außer vielleicht, sie zu essen, aber da verhungerte er dann doch lieber. Man hatte ja irgendwo noch einen Rest Stolz.
    Ein bisschen wunderte er sich über die Ungeregeltheit des Endes.
    Er hatte mehr Tamtam erwartet, mehr offiziellen Zinnober, zumindest so einen visionären Special-Effects-Trip wie damals nach dem Eröffnungszug.
    Ganz genau erkundigt hatte er sich zwar nie, wie ein Spiel eigentlich endete, aber er wusste, dass es jedes Mal eine große Sache war. Die drei berühmtesten Arten, auf die ein Spieler verlieren konnte, waren erstens, wenn er aufgab, zweitens, wenn in der Wertung die Punktezahl des Fließes seine eigene überstieg, und drittens, wenn er von einem Prognosticon, einer Manifestation oder einer Inundation seiner magischen Komplementierung zum Trotz kurzerhand umgebracht wurde, so wie das im Augenblick mit Hiob geschah. Dieser Kampf- oder Spieltod war für die Welt relativ harmlos. Bestraft wurde dann im Grunde genommen nur der Spieler selbst, dessen Seele für alle Ewigkeiten zum Spielball der wiedenfließen Gewalten wurde, meistens zum Hohn dann umgedreht und entgegen der üblichen moralischen Überzeugungen ins Feld geschickt. Schlimmer war es, wenn ein Spieler aufgab, so wie Hiobs direkte Vorgängerin Lagrima Mesanez das getan hatte, oder wenn er mehr Spielrunden verlor als gewann und damit sozusagen für das Fließ punktete. Der Spieler selbst blieb dann relativ unbehelligt – relativ; Lagrima war von ihrer Familie ins Irrenhaus gesteckt worden –, nur die Magie wurde ihm/ihr natürlich schmerzhaft entrissen. Darüber hinaus war aber das derartige Besiegen eines Spielers für NuNdUuN ein Freibrief für eine Chaos-Transgression größeren Ausmaßes. Lagrima war durch ihr Aufgeben wahrscheinlich für den Tschernobyl-SuperGAU verantwortlich gewesen, einem anderen, früheren Spieler, der punktemäßig verschissen hatte, war anzulasten, dass die Amerikaner sich dazu entschlossen, ihre frisch entwickelten Atombomben nicht nur in der Wüste von

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