Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

völlig leer, ein von den Ansprüchen seines Großvaters überfordertes Zuchtprodukt, das das Spiel als Krücke benutzen musste, um sich selbst überhaupt so etwas wie Richtung und Stabilität zu geben.
    Zugeben musste NuNdUuN jedoch, dass eine Überraschung für ihn gewesen war, was als Nächstes passierte.
    Hiobs Seele drehte und wand sich aus dem verkrusteten, kaputten Leib heraus wie ein Schmetterling aus seinem Raupenkokon. Es war eine merkwürdige Seele, ein mutiertes, ungewöhnlich geformtes Ding, die Seele eines Menschen, der in ein- und derselben Nacht tief im Leibe seiner Mutter zweimal gezeugt worden war, einmal als Mensch und das zweite Mal als Magier.
    Mit ihren Faltbeinen und Ausläufern und wechselstromlinienförmigen Widerspenstigkeiten hakte sich die Seele beim Ausschlüpfen fest, verhedderte sich feucht und halb und im Gegensatz zu Pessimistenseelen so ungeübt im feinen Akt des Sterbens, und hing so und verschnaufte und versuchte sich zu sammeln. Konzentration war jetzt wichtig; einer wie Hiob, der so viel durchduldet hatte mit dem Stoizismus eines jungen Ochsen, tat sich furchtbar schwer mit dieser unblutigsten aller Geburten. Gestört wurde er auch noch. Hämmern erfüllte das All, erst gleichmäßig, dann sich aufsplittend und dabei immer lauter werdend. Jemand rief seinen Namen, ganz dünn, ganz leise, zittrig, wie die Stimme des kleinen Fliegenmannes im Spinnennetz. Hiiiiiiiiob! Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiob! Die Seele ruckte und streckte ihre achtzehntausend Kilometer langen Fühler in diese Richtung. Wer ruft mich denn von dort? Ist dort die Richtung meines Endes? Hiiiiiiiiob! Schmiedeeisern trümmern steine Schläge niederfallend gegen Wucht mit Dröhn und Hall und brechen durch ein Splittern überläuft das kosmische Gefäß sprudelt nach unten fängt sich in aufwärts gebogenen Wirbeln denn den steilen Tunnel durchwanken Gestalten von eckig Giganten mit Stimmen aus Milch und Haaren wie brennendes Heu an den Enden mit Knistern und Züngeln kalt wird’s und dunkelrot leuchtet auf von Kammern durchsetzt wie ein Granat und warm werdend der im Verlassensein begriffene Körper seelt sich einwärts Strudelwurm gleich oder Tausendfüßler mit wellenförmig vorfrequenzten Beingewaber Bein Hände Bein Hände heben mich an und wälzen den Gestrandeten Robinson Bartenwal Krebs krustig gebrutzelte Languste auf den Rücken und zermalmen dabei beinahe die Seele welche sich gerade ungerade noch schlief in sich ruckend und weißliche Qual von Kastaniengold sprühend hereinzieht heraus aus dem toten Weg ächzen und stöhnen zerscheuern sein Gehör und das zischende Hausatmen von entsetzten Geblichtern eine Hand schock eine Hand von so milder Gewalt fasst mich an und mein Name läuft abwärts noch einmal mir entgegen bis ich selbst ihn nicht mehr erkenne vor lauter Süße mein Name so noch nie gesprochen dieser Schmerz in meiner Brust ist wiederkehrt ist ungewöhnlich stark und ich dachte die Zeit der Schmerzen ist ein für allemal vorbei verdammte Scheiße warum leckt ihr mich nicht alle einfach mal am Arsch und lasst mich dann in Frieden verrecken und sogleich das geht schnell unerwartet schäme ich mich wieder für diesen Gedanken und sogleich schäme ich mich für meine Scham und so weiter und hinfort reißt mich das perpetuum mobile meiner eigenen selbstzerfleischung
    Hiob schlug die Augen auf. Wie wenn man ein Betttuch über den Kopf eines Gestorbenen deckt. Weißüberflut.
    Er konnte nichts Richtiges sehen, alles war hell, seine Augen oben und unten begrenzt. Er lag wohl im Licht. Über ihm, wie Amseln, zwei dunkle Augen.
    Seine Stimme war ein Haufen Tonscherben am tiefen Grunde eines Brunnenschachtes. Mit nackten, sich dabei überschneidenden Händen schaufelte er die Scherben zusammen und klebte aus ihnen Worte.
    »D ... dreizeeehn ... zu ... zu ... eins ...«
    Ein zweites Gesicht schob sich neben das mit den dunklen Augen.
    »Zwar nicht schlecht geschätzt, aber eben doch kein Volltreffer: Wir haben fünfzehn nach drei. He, Habib, Alter – wir sind’s: Kamber und Myriem. Erinnerst du dich an uns?«
    Kamber. Erinnern? Moment, warte, hab Geduld, Fremder mit freundlicher Stimme, ich hab’s gleich, es geht schon, warte noch kurz. Kamber Yildirimel Seferi, Buccaneer, und seine Schwester. Hiob hatte wohl schon wieder ihren Geburtstag vergessen. Wie verdammt schnell so ein Jahr doch rum ging.
    »Tut ... mir leid, Myriem. Herz...lichen nach...träglich.«
    »Den hat’s völlig erwischt«, stellte