Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
ganz ohne Eva, wäre ihm jetzt den Verlust des Paradieses wert gewesen. Es war immer noch so verloren graulichtig im Raum. Hiob stöhnte, weil seine Arschbacken juckten wie tausend Mückenstiche. Außerdem rissen sie ein, mit jeder Stunde tiefer, bald bis auf die Knochen. Er fiel auseinander, auch ohne sich zu rühren. Da steckte eine erbarmungslose Logik drin. Seine durch den Spielerstatus veränderte Körperbiologie hinderte ihn so ohne Weiteres am Sterben. 9mm-Patrone im Herzmuskel? Gar kein Problem, Sir, das steckt man so weg. Eine Überdosis Drogenspass-tik? Macht gar nichts, Mister. Sie sind doch noch jung und robust. In ein paar Minuten tanzen und lachen Sie schon wieder und können sich den nächsten Goldenen Schuss vielleicht zur Abwechslung mal direkt ins Auge setzen. Je länger also Hiob hier lag und vor sich hinstarb, an Hunger und Durst und Entkräftung zugrunde ging wie ein Gnu in der Trockenzeit, desto mehr wurden seine lebenserhaltenden Körperfunktionen von seiner magischen Essenz übernommen. So stand das im Pakt. Die Magie war das Überbrückungskabel für ansonsten letale Einwirkungen. Und je mehr jetzt die Magie in ihm warmlief, um ihn am Leben zu halten, desto mehr tötete sie ihn, weil NuNdUuN sie manipuliert hatte. Es gab überhaupt kein Entrinnen mehr. Das Überleben würde ihn töten.
Und da war niemand, der ihn finden konnte, der sich um ihn Sorgen machen würde, der ihn vermisste, mit dem er verabredet war zu der und der Zeit und der Mittel und Hebel in Bewegung setzen würde, um Hiob zu finden, ein wackerer junger Leutnant der Freiwilligen Feuerwehr, der die Tür auftrat, weil die Nachbarn sich über den miesen Geruch beklagt hatten, ja, vielleicht war das noch die Lösung, er konnte ja noch Kot rausdrücken, um den Gestank so penetrant werden zu lassen, dass es den übrigen Mietparteien die Haare bleichte, aber um Kacke zu produzieren, musste man vorher was gegessen haben, und Hiob konnte sich gar nicht mehr dran erinnern, wann er das letzte Mal etwas Kompakteres als Alk und DHC zu sich genommen hatte. Essen war lästig, wenn’s denn nicht unbedingt sein musste. Zum Kochen war Hiob sowieso meist zu faul, und immer hatte man nun auch keinen Appetit auf was Standardgewürztes aus dem Tiefkühlfach. Wie er so daran dachte an Lasagnen und Billigbarschfilets in Papp- oder Aluschüsselchen, da lief ihm das Wasser im Mund zusammen und troff gleich wieder auf den Teppich, und von dort aus saugte er es auf und versuchte sich einzubilden, dass das gesund war.
NuNdUuN war so ein verdammt geschickter Bursche.
Jeder zweitklassige Gegner hätte es sich nicht nehmen lassen, nun hier aufzutauchen und höhnisch um Hiob herumzutänzeln, ihn verspottend und sich köstlich amüsierend. Aber NuNdUuN wusste genau, dass so was Hiobs Trotz heraufbeschwören und Kräfte in dem geschlagenen Spieler mobilisieren würde, die vielleicht ja doch noch so was wie eine Überraschung hätten herbeiführen können. Deshalb erschien er nicht auf dem Schauplatz seines Triumphes. Er genoss das Ganze wohlweislich aus der Ferne, ließ das traurige Bild in einem aus Protestantenfleisch, Indianerhaut und Judenknochen gezimmerten Olympiastadion auf megalithische Leinwände projizieren, und achtzigtausend Entstellte jubelten ihm zu, trommelten mit den Füßen und vergossen sich selbst bei La Ola. Der Potentat lächelte und schwieg. So viele Spieler waren schon gewesen vor diesem Montag, so viele würden noch kommen, und das Einzige, was ewig blieb in diesem Reigen, war er selbst, der Erzene Feind.
Hiob spürte, wie sein Herz jetzt raste und wie ihn schon wieder diese erbarmunglos entwürdigenden Tränen ankamen, Tränen der frustrierten Wut diesmal. NuNdUuNs Gelassenheit würde keinen Unterschied ausmachen. Allein, wenn Hiob sich schon vorstellte, wie das Erzübel um ihn herumschlich und sich an der Demütigung delektierte, allein diese Vorstellung regte ihn schon so sehr auf, als würde es wirklich passieren.
Was sind schon Schmerzen?, fragte sich Hiob.
Schmerzen sind kreischende Neuronen, die im Grunde genommen, im großen Spiel der Dinge und Zeiten, nichts zu melden haben. Kein Mitspracherecht. Die Nervenbahnen waren das Erste, was den Dienst versagte, wenn man starb, während die Seele noch zuckte und würgte. Die Seele, jenes völlig unreligiös verbrämte Ding, das wie ein schlaffes Mannesglied aus dem Korpus des Menschen in die Weder-Noch-Dimensionen hinüberlappte und auf die alles, was nicht leiblichen, sondern nur
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