Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
uns?«
Hipp zögerte mit der Antwort. »Was meinen Sie?«
Sabrina dachte eine Weile nach. »Ich glaube nicht, dass ich Sie schon mal gesehen habe, sonst hätte ich Sie doch nicht nach Ihrem Namen gefragt.«
»Aber Sie sind sich nicht sicher?«
»Nein, nicht ganz.«
»Und der Unfall?«
»Ich kann mich an keinen Unfall erinnern.«
»Das macht nichts«, sagte Hipp beruhigend. »Ist vielleicht besser so. Wer erinnert sich schon gerne an einen Unfall?«
»War das ein Unfall mit einem Auto?«, fragte Sabrina nach einiger Zeit.
»Richtig, mit einem Auto. Von der Straße abgekommen.«
»War ich …«, fing Sabrina an und machte eine Pause. »War ich alleine im Auto?«
Hipp hatte befürchtet, dass sie diese Frage stellen würde. Er überlegte kurz, dann beschloss er, bei der Wahrheit zu bleiben. »Nein«, antwortete er, »nicht alleine. Mit Eva-Maria Pertini, sie ist gefahren.«
»Eva-Maria Pertini«, wiederholte Sabrina langsam.
»Ja. Sie wissen doch, wen ich meine?«
Sabrina schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, nein. Eva-Maria Pertini, wer ist das?«
»Ihre Cousine aus Montalcino.«
Sabrina sah ihn mit großen Augen fragend an. »Montalcino? Lebt dort mein Vater?«
7
E inige Stunden später kam Hipp gerade aus dem Arztzimmer, als er im Flur einem umherirrenden jungen Mann mit einem großen Blumenstrauß begegnete.
»Scusi, wissen Sie, in welchem Zimmer Signorina Valentino liegt?«, fragte dieser.
»Sind Sie ein Bekannter von ihr?«, antwortete Hipp mit einer Gegenfrage.
»Sì, ja, in gewisser Weise, das heißt, eigentlich nicht …«
Hipp streckte die Hand aus. »Mein Name ist Hermanus«, stellte er sich vor, »ich bin ein Freund von Sabrina Valentinos Vater. Und Sie sind?«
»Entschuldigen Sie, mein Name ist Fabri Angelo. Ich war mit Sabrinas Freundin Eva-Maria gut bekannt. Die beiden wollten mich besuchen, als dieser schreckliche Unfall passierte.«
»Eva-Maria Pertini? Das tut mir Leid, mein herzliches Beileid.«
»Danke. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sie nicht mehr lebt. Ein so liebes Mädchen.«
»Das braucht seine Zeit«, stellte Hipp fest, wohl wissend, dass dies eine Plattitüde war. Er sah Fabri an. Der junge Piemonteser war ihm nicht unsympathisch. Groß gewachsen, schwarze Haare, gepflegtes Äußeres, erstaunlich helle Augen, die einen offen ansahen. Etwas nervös, was in seiner Situation aber nur zu verständlich war. »Vermute ich richtig«, fuhr Hipp fort, »dass Sie Sabrina aufgrund des Unfalls gar nicht persönlich kennen?«
Fabri schluckte. »Ja, trotzdem will ich sie besuchen, oder vielleicht gerade deshalb. Sie verstehen, immerhin war sie eine Freundin von …«
Hipp legte Fabri beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Natürlich, ich verstehe. Und ich finde das auch wirklich sehr nett von Ihnen.«
Fabri sah betrübt auf seine Blumen. »Die kann ich wohl wegwerfen. Ich habe gehört, dass Sabrina immer noch im Koma liegt.«
»Nicht mehr«, sagte Hipp.
»Was heißt nicht mehr? Ist sie etwa bei Bewusstsein?« Fabri sah Hipp mit großen Augen an.
»Ja, seit kurzem. Gott sei Dank, wir sind alle sehr froh. Vor allem Sabrinas Vater, mit dem ich gerade telefoniert habe. Er ist überglücklich.«
»Das ist ja auch wunderbar. Im wahrsten Sinne des Wortes – ein Wunder!«, erwiderte Fabri.
Hipp sah lächelnd auf den Strauß. »Ich weiß allerdings nicht, ob in einem Zimmer auf der Wachstation Blumen erlaubt sind. Da müssen Sie die Schwestern fragen.«
»Natürlich, Wachstation, ich verstehe.«
»Bevor Sie zu Sabrina hineingehen, muss ich Ihnen noch was sagen.« Hipp sah Fabri ernst an.
»Was müssen Sie mir sagen?«, reagierte Fabri erschrocken. »Ist sie schlimm verletzt? Vielleicht gelähmt?«
»Nein, nicht gelähmt. Nur ihr Gedächtnis …«
»Ihr Gedächtnis?«
»Nach einem Schädel-Hirn-Trauma, wie es Sabrina beim Unfall erlitten hat, kommt es gelegentlich zu Gedächtnislücken, zu einer so genannten posttraumatischen Amnesie.«
»Posttraumatische Amnesie«, wiederholte Fabri verständnislos.
»Bei Sabrina ist das so genannte Altgedächtnis betroffen«, erklärte Hipp. »Das heißt, sie kann sich an nichts mehr erinnern, weder an den Unfall selbst noch was vorher geschehen ist. Die Ärzte sprechen hier von einer retrograden Amnesie. Diese geht bei Sabrina so weit, dass ihr auch alle biographischen Daten entfallen sind. Sie weiß nicht, wer sie ist. Sie kann sich auch an Eva-Maria nicht erinnern.«
Fabri dachte nach. »Come una pagina bianca? Wie
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