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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Montalcino. Ein Spitzenwein, sortenrein gekeltert aus Sangiovese grosso, üppig und körperreich, dennoch voll feiner Nuancen, mit einem leichten Brombeerduft, mindestens fünf Jahre alt, davon garantierte zwei Jahre im Holzfass ausgebaut. So gesehen war kein Medici, sondern Ferruccio Biondi-Santi* die wichtigste Persönlichkeit in der Geschichte Montalcinos. Hatte er doch im 19. Jahrhundert die Brunello-Traube, die ein Klon der Sangiovese*-Traube ist, kultiviert und entgegen den Gepflogenheiten beim Chianti* unverschnitten auf Flasche gezogen. Im Alleingang hatte Biondi-Santi im Folgenden den Ruf des Brunello aufgebaut und schließlich bis nach Amerika getragen. Mittlerweile gibt es namhafte Rivalen, die im gleichen Atemzug mit Biondi-Santi genannt werden, Pieve Santa Restituta* zum Beispiel oder Case Basse*. Die Tenuta del Leone von Luca Pertini war nicht ganz so bekannt, erfreute sich unter Kennern aber höchster Wertschätzung. Pertini machte seinen Brunello auf die traditionelle Art, er ließ die Trauben lange am Stock und lehnte den Ausbau in Barriques kategorisch ab.

    Heute, an diesem schönen, aber traurigen Sommertag, da stand auf der Tenuta del Leone ausnahmsweise nicht der Wein im Mittelpunkt. Es war in der Toskana nach einem Todesfall alter Brauch, dass die nächsten Hinterbliebenen für einen Tag ein offenes Haus führten, damit Freunde und Verwandte Gelegenheit bekamen zu kondolieren. Und so fuhren auch beim Weingut von Eva-Marias Eltern seit einigen Stunden, kaum waren sie aus Turin zurückgekehrt, fortwährend Autos vor. Die Besucher blieben nicht lange, sie bekreuzigten sich vor dem Porträtphoto, das mit einer schwarzen Schleife versehen auf einem Tisch stand, nahmen Luca in die Arme, küssten Mira die Wangen, sprachen einige Worte der Anteilnahme, des Trostes, und zogen sich wieder leise zurück.
    Mit dem Besucher, der jetzt auf ihn zukam, hatte Eva-Marias Vater, der in einem Lehnstuhl saß, freilich nicht gerechnet. Mehr noch, er hätte gerne auf seine Gesellschaft verzichtet. »Il Tedesco« wurde der Mann in der Region von Montalcino genannt, was in seinem Fall nicht nur darauf hindeutete, dass er ein Deutscher war, sondern auch ein Auftreten hatte, das manche Vorurteile bestätigte. Vor etwa zehn Jahren war Dr. Friedrich von Lausitz, so hieß er mit richtigem Namen, auf der Bildfläche erschienen, hatte ein renommiertes Weingut erworben, das direkt an jenes von Pertini angrenzte, und setzte seitdem seinen ganzen Ehrgeiz und beträchtliche Finanzmittel ein, um einen hochklassigen Brunello zu erzeugen. Sehr zum Ärger von Luca Pertini und vielen anderen eingesessenen Weinbauern gelang ihm das von Jahr zu Jahr immer besser. Das alleine wäre noch kein Grund für Mira gewesen, beim Auftauchen von Dr. Lausitz sofort den Raum zu verlassen. Aber sie wusste, dass der Tedesco seit Monaten versuchte, Luca zum Verkauf seines Weingutes zu bewegen, wobei er immer massiveren Druck ausübte, sogar vor kaum verschleierten Drohungen nicht zurückschreckte.
    »Signor Pertini, ich möchte Ihnen und Ihrer Frau mein tiefstes Mitgefühl zum Ausdruck bringen«, sagte Dr. Lausitz in perfektem Italienisch, aber mit deutlich deutschem Akzent. Die ausgestreckte Hand blieb unbeantwortet, sodass er sie mit einem leisen Lächeln zurückzog. »Ein schreckliches Unglück«, fuhr er fort, »ein schlimmer, ein unglaublicher Verlust. Seien Sie meiner Anteilnahme versichert. Eva-Maria, ihr einziges Kind, eine junge Frau in der Blüte ihres Lebens.«
    »Sì, un incidente incredibile«, wiederholte Luca Pertini die Worte, die er in den letzten Stunden schon so oft gehört hatte.
    Dr. Lausitz sah sich im Raum um und stellte fest, dass sie alleine waren. Er räusperte sich. »Nun, Signor Pertini, das ist sicherlich der falsche Augenblick …«
    »Es ist definitiv der falsche Augenblick«, unterbrach ihn der trauernde Vater.
    »… aber ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit in Erinnerung rufen«, sprach Dr. Lausitz unbeirrt weiter, »dass ich es sehr begrüßen würde, wenn Sie mir Ihr Weingut baldmöglichst verkaufen.«
    »No, mai! Niemals!«
    »Zu einem angemessenen Preis, versteht sich von selbst. Gerade jetzt offenbart sich Ihnen doch, wie vergänglich alles ist. Und nach dem bedauernswerten Tod Ihrer Tochter ist niemand mehr da, der die Familientradition fortsetzen könnte. Wofür wollen Sie sich noch aufopfern?«
    »Verlassen Sie diesen Raum!« Luca Pertini deutete mit ausgestrecktem Arm zur Tür. »Fuori!«
    »Ich bin schon im

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