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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Veroneser
Familie. Und warum sollte er sich so eine Geschichte ausdenken?«
    »Woher wusste er, dass diese Frau, die ihm das Ding verkauft hat,
nach Berchtesgaden wollte?«
    »Wegen der Zuganzeige über dem Nachbarbahnsteig. Da stand › IC  Königssee‹. Daran hat er sich erinnert. Von
Berchtesgaden hat er nichts gesagt, das habe ich jetzt selbst weitergedacht.
Ist doch die Endstation des › IC  Königssee‹.«
    »Richtig. Wie hat dein Zeuge denn seinen Angreifer beschrieben?«
    »Warte … ah, hier steht es: Groß, kräftig, so ein Schrank,
weißt du? Sportlich und trainiert. Und er sprach mit russischem Akzent.«
    »Das passt. Ich schick dir gleich ein Foto rüber, Alessandro. Kannst
du den Studenten zu euch bitten, damit er sich das ansieht und bestätigt, dass
unser toter Ukrainer und sein Peiniger ein und dieselbe Person sind? Oder auch
nicht, aber das würde mich jetzt wundern.«
    »Va bene, va bene«, antwortet Alessandro.
»Und wann kommst du wieder nach Verona? Mein Ältester macht dieses Jahr Abitur.
Und was macht dein Sohn?«
    »Simon ist beim Highlinen in Neuseeland.«
    »Oh, das ist aber weit weg. Bei uns in Italien bleiben die Kinder so
lange zu Hause, bis wir sie rauswerfen. Ist auch nicht so schön. Also, komm uns
besuchen, hörst du? A presto! «
    Als Magdalena das Foto von Wladimir nach Verona schickt, kommt eine
Stunde später die Antwort: » Si, è lui! Er ist es.«

Berchtesgaden, 1. Juni 2010
    Als Meik Lebow am Nachmittag auf die Zufahrtsstraße zur
Polizeidienststelle hinausschaut, sieht er Leni, die in der Mittagspause kurz
nach Hause nach Schönau am Königssee gefahren ist, ihr Fahrrad auf den
Parkplatz schieben.
    »Ist dir die Kette rausgesprungen, oder probierst du eine neue Trainingsform,
bei der man das Rad schiebt, statt es zu fahren?«, ruft er ihr zu, als sie an
seinem Zimmer vorbeigeht.
    Sie streckt wortlos den Kopf herein.
    »Ui«, sagt Lebow, »was ist dir denn passiert?«
    »Der Lindner Korbi hätt mich mit seinem Milchwagen beinah über den
Haufen g’fahren. In der Oberschönau. Fährt beim Steigerlehen rückwärts aus der
Ausfahrt und übersieht mich einfach, der Depp.«
    »Ist dir was passiert?«
    »Mein Radl ist hin, aber mir ist nicht viel passiert. Dem Korbi sein
Bruder wird mir das Ding wieder herrichten. Der kennt sich aus mit Bergrädern.
Gibt’s was Neues? Hast du schon Ergebnisse vom Vormittag?«
    »Ja. Wir haben DNA -Spuren, das ist
schon mal gut. Aber wir können sie bisher noch niemandem zuordnen.«
    »Das ist blöd.«
    Lebow nickt.
    »Sind die Blutspuren in Wladimirs Zimmer mit den DNA -Spuren an Wladimirs Seil abgeglichen worden?«
    »Da sitzen die Kollegen grade noch dran. Das Ergebnis müsste aber
bald da sein.«
    »Na, das sind doch erfreuliche Nachrichten. Erfreulicher jedenfalls
als mein Zusammenstoß mit dem silberfarbenen Vehikel mit grünem
Bergbauernmilch-Logo. Herrschaftszeiten, hab ich mich erschrocken, als der auf
mich zurollt. Ich geh mich dann mal ein bisschen frisch machen. Ach, Meik?«
    »Ja?«
    »Wie lange kennen wir uns jetzt schon?«
    »Warte mal. Seit ich mit der Ausbildung fertig und in den Westen
gekommen bin. 2002 habe ich in Traunstein angefangen.«
    »Acht Jahre!«, brummt Magdalena. »Und warum bist du noch nicht
verheiratet? Hast du noch keine Frau g’funden?«
    »Doch«, sagt Lebow. »Aber die mag nicht heiraten.«
    »Grundsätzlich nicht oder speziell dich nicht?«
    »Haha. Das ist bei Caro eher grundsätzlich, glaube ich. Sie sagt,
sie will sich auf keinen Fall einengen lassen. Warum fragst du überhaupt?«
    »Ach, nur so. Wahrscheinlich hab ich eine Gehirnerschütterung.«
    »Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?«
    »Schmarrn«, brummt Leni. »Ich geh jetzt ins Bad, und wenn ich
rauskomme, bin ich wieder normal.«
    »Na, wieder fit?« Lebow legt Leni den Obduktionsbericht aus der
Rechtsmedizin auf den Schreibtisch.
    »Ich war schon mal fitter«, antwortet Leni.
    Sie schaut sich die Bilder des Toten an. Der Abstieg in die Höhle,
das Auffinden der Leiche, die Bergung, das alles ist ihr noch frisch im
Gedächtnis. Trotzdem ist es ein kleiner Schock, wie jedes Mal, die Bilder
anzuschauen. Nur der tote Mensch, das Individuum, aus seiner natürlichen
Umgebung herausgenommen. Nur der Tod ist es, der sie aus diesen Bildern
ansieht. Der Mensch hat aufgehört zu existieren.
    Lebow hat sich auf eine Ecke ihres Schreibtischs gesetzt und schaut
sich stumm die Bilder mit an.
    »Der Mensch ist einfach nicht geeignet für so etwas. Nicht

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