Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
Vom Netzwerk:
euch das richtige Zeug z’sammpacken.«
    Marjana ist auf diese Frage nicht vorbereitet. Sie dachte, Höhle ist
Höhle, und mehr muss sie nicht sagen.
    Sie bespricht sich auf Russisch mit Wiktor, und offenbar schnappt
der Verkäufer den Begriff »Göll« auf.
    »Wollt ihr auf den Göll? Vielleicht in die Umgäng-Höhlen?«
    »Ja, genau«, sagt Marjana.
    »Na, dann hammas ja scho. Die Göll-Höhlen san ned nass. Da braucht ihr
keinen Neoprenanzug. Einen Overall mit Kapuze würd ich euch trotzdem empfehlen.
Zumindest zusätzlich zum normalen G’wand, das ihr zum Aufsteigen braucht.«
    Marjana nickt.
    »So, und jetzt probiert ihr noch von dem Ständer mit den Trekkinghosen
eine Hose, Jacke und ein Hemd oder eine Bluse, die euch passt, damit ich eure
Größen hab, und Bergschuhe probier ma a glei no. Dann lasst’s mich eine Stunde
lang z’samm’packen, und dann könnt’s wiederkommen und wir gehn die Sachen
gemeinsam durch. Übrigens, wenn ihr einen Führer für die Höhle braucht, dann
kann ich euch den Dachsgruber Bertl empfehlen. Ruft ihn einfach an und fragt
halt, ob er Zeit hat.«
    »Er hat garantiert gemerkt, dass wir nicht die geringste Ahnung vom
Klettern haben«, sagt Marjana, als sie hinaus auf die Straße treten.
    »Na und?«, erwidert Wiktor. »Für den ist wichtig, dass er von uns
die Kohle bekommt, sonst nichts.«
    Auf dem Weg zum Café, in dem sie darauf warten wollen, dass der
Verkäufer alles zusammengestellt hat, kommen sie an einem Souvenirladen vorbei.
Marjana sieht sich bei den Spirituosen um.
    »Du brauchst keinen Schnaps und keine Zigaretten mehr.« Wiktor
schiebt sie weiter. »Wie willst du denn sonst mit uns die Berge raufklettern?«
    »Erstens will ich nicht, ich muss. Und zweitens ist das gar kein Problem.
Ich geh da einfach rauf, und basta. Mit dir Frührentner halte ich allemal mit,
und Luba ist auch nur schnell, wenn sie auf ihrem Motorrad hockt.«
    Von der Café-Terrasse sieht man hinunter auf den Fluss und zum
Bahnhof. Die Berge umzingeln den Ort regelrecht und sperren ihn nach Süden hin
ab.
    »Ein Pils, einen Espresso und zwei Cappuccino«, bestellt Marjana.
    »Schau dir diesen Wahnsinnsberg an«, sagt Luba. »Ich hatte nie groß
etwas für die Berge übrig. Es waren immer eher die mächtigen Flüsse, die Ebenen
und die weiten Wälder, die mich fasziniert haben. Jetzt weiß ich, warum das so
war. Ich kannte die Berge nicht, nicht diese Berge.«
    »Ach komm, Luba, werd jetzt bloß nicht sentimental. Dich
interessieren doch diese Berge überhaupt nicht. Du denkst nur an die Straßen
mit ihren tausend Kurven und wie du dich in die Kurven legen müsstest, wenn du
dich auf deinem Bock durch sie hindurchschlängelst, so tief, dass die Fußraster
auf dem Asphalt aufsetzen und Funken sprühen«, neckt Wiktor sie.
    »Nein, mir gefallen diese Berge wirklich. Der Watzmann ist einfach
der Wahnsinn, und ich würde nie in diese Ruhe mit meinem Motorrad einbrechen
wollen. Ich bin doch keine Barbarin, was denkst du denn von mir?«
    »Na, dass du eine Barbarin bist. Und die Stille wär dir scheißegal,
das weiß ich«, sagt Wiktor.
    Als sie zum Sportgeschäft zurückkommen, stehen in der Mitte des Verkaufsraums
drei gepackte Rucksäcke; am Boden jede Menge Seile, ein Bund Karabiner, Lampen
und Zeug, von dem weder Luba noch Wiktor oder Marjana wissen, wofür es gut sein
soll. Am meisten Ahnung hat noch Wiktor. Er hilft Luba beim Anlegen des Komplettgurts.
Marjana versucht, es nachzumachen, und scheitert kläglich.
    »Wenn du dich aufhängen möchst mit dem Gurt, dann machst du des scho
ganz richtig. Aber das wär mir jetzt auch ned recht, denn dann würd’s heißen,
des, womit sich die Russin aufgehängt hat, des hat ihr der Reitberger verkauft,
und des würd kein gutes Licht auf mich werfen.«
    »Ukrainerin.«
    »Was meinst?«
    »Ukrainerin. Die Leute würden sagen: ›Womit sich die Ukrainerin
aufgehängt hat.‹«
    »Ich glaub, da täuschst du dich. So genau sind die Leut bei uns
nicht. Die würden einfach Russen sagen, denn da weiß jeder, was g’meint ist.
Beim Ukrainer ist das so eine Sache, da weiß man eigentlich nicht so genau,
woran man ist. Ich vielleicht schon, aber die meisten Leut nicht.«
    Der bärtige Verkäufer tritt zu Marjana. »Darf ich?« Ohne eine
Antwort abzuwarten, zieht er ihre Beinschlaufen so straff, dass sie schmerzhaft
im Schritt einschneiden. Erst als er zu ihrem gequälten Gesicht hochsieht,
lockert er sie wieder ein wenig. Auch mit dem Brustgurt hat er

Weitere Kostenlose Bücher