Hirschgulasch
großartig hier? Und zieh nicht
dauernd deinen Bauch ein. Ein kleiner Bauch steht Männern ab einem gewissen
Alter ganz gut, finde ich.«
»Der ganze Luxus stimmt dich wohl gnädig, Frau Doktor. Besten Dank.
Ganz schön edel, der ganze Laden. Meine Fresse, und da gibt es genügend Leute,
die hier selbstverständlich aus- und einmarschieren und wissen, dass für sie
nichts Schlechteres in Frage kommt, nicht im Urlaub und nicht im alltäglichen
Leben. Abgesehen davon, dass ich das für absolut unmoralisch halte, finde ich
die Bude schon beeindruckend«, gibt Wiktor zu.
»Kann man für fünfhundert Euro die Nacht auch erwarten«, sagt Luba.
»Fünfhundert Euro?«
»Beruhige dich, Wiktor. Wir haben bald so viel Geld, dass wir uns
auch die Nacht zu fünftausend Euro leisten können.«
»Wir haben genau das Geld, das im Koffer ist und eigentlich Jurij
gehört. Ob es den Schatz gibt, ob wir ihn finden und wie viel er überhaupt wert
ist, das wissen wir doch alles noch gar nicht. Vielleicht ist ja auch schon
alles verfault, oder es sind nur wertlose Geldscheine, sechzig Jahre alt, von
Ländern, die es heute gar nicht mehr gibt. Vielleicht hat den Schatz auch
längst schon ein anderer gehoben, vielleicht die Deutschen selbst. Vielleicht
wusste ja doch noch jemand von dem Schatz.«
»Ich dachte, du warst mal ein Held, Wiktor«, unterbricht ihn Luba.
»Ja und?«
»Im Moment hörst du dich eher wie ein Jammerlappen an.«
»Ich frage mich eben manchmal, wie ich mich mit euch zwei Phantasten
überhaupt auf dieses Abenteuer einlassen konnte.«
»Was schlägst du denn als Alternative vor?«, fragt Luba.
»Wir könnten das übrige Geld aufteilen und einzeln untertauchen.«
»Spitzenidee!«, scherzt Marjana.
»Nach Kiew können wir sowieso nie mehr zurück, dort macht Jurij aus
mir ganz kleine dünne Bratwürstchen. Aus dir, Marjana, macht er einen
Lampenschirm, und dich, Lubotschka, wird er auf den Strich schicken, bis du
jeden einzelnen Euro im Liegen verdient hast, plus Zinsen und abzüglich einer
überteuerten Miete für das Bett, in dem du dann die nächsten zehn Jahre die
Beine breit machen musst.«
Wiktor verstummt, als die Tür aufgeht. Der Bademeister reckt den
Kopf zur Tür herein: »Haben Sie eben geklingelt? Ist alles in Ordnung?«
Alle drei sehen ihn an, ohne zu verstehen, was er meint, selbst
Marjana versteht nicht, warum er hier auftaucht, obwohl sie jede Vokabel, die
er spricht, kennt. Als er seine Frage auf Englisch wiederholen will,
unterbricht ihn Marjana, die sich zwischenzeitlich einen Reim auf sein
Auftauchen gemacht hat.
»Nein, wir haben nicht geklingelt. Bei uns ist alles in Ordnung,
danke.«
»Sure?«, fragt der Bademeister nach.
»Natürlich, alles paletti.«
»Und, Wiktor, ist deine Angstattacke jetzt wieder vorbei? Wenn
nicht, halt einfach so lange die Luft an, bis es besser wird.« Marjana klettert
eine Ebene höher und streckt sich dort aus. »Es gibt überhaupt keinen Grund zur
Panik. Erstens bin ich mir absolut sicher, dass es genau diesen Schatz gibt, zu
dem Alexej den Plan gezeichnet hat. Zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass
er noch nicht gefunden worden ist, und drittens glaube ich felsenfest, dass es
sich dabei um den größten Schatz handelt, der jemals von irgendjemandem
zusammengetragen und gehortet worden ist.«
»Hast du selbst eigentlich nie Zweifel? Natürlich wünsch ich mir,
dass wir diesen Schatz finden, und ich glaube ja auch irgendwie daran, aber ich
hab auch schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen und weiß, dass immer
irgendwas Blödes passieren kann, mit dem kein Mensch vorher gerechnet hat. Zum
Beispiel, dass ein todsicheres Atomkraftwerk in die Luft fliegt. Passiert immer
wieder. Außerdem: Steht auf unserer Schatzkarte etwa ›Wegweiser zum größten
Schatz aller Zeiten‹? Denn das würde mich vielleicht auch vor der einen oder
anderen Panikattacke bewahren.«
»Ich habe Geschichte studiert, wie oft muss ich dir das eigentlich
noch erzählen? Meine Doktorarbeit habe ich über die Beuteschätze der Nazis
gemacht und jahrelang in diese Richtung geforscht und recherchiert, bis die
Revolutionäre alles zerdeppert haben.«
»Hör doch mit dem politischen Gequatsche auf, das halte ich nicht
aus«, sagt Wiktor.
»Nein, keine Politik. Ich habe herausgefunden, dass zwischen dem,
was die Nazis geplündert, gerafft und gestohlen haben, und dem, was je gefunden
wurde, eine ziemlich große Differenz besteht. Der größte Nazischatz, der jemals
gefunden wurde,
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