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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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keine
Berührungsängste und richtet alles so ein, wie es nötig ist, um in der Mitte
das Seil einfädeln und mit einem Achter verknoten zu können.
    »So«, sagt er, »hast du dir gemerkt, wie ich es gemacht hab?«
    »Na ja, ungefähr schon, glaube ich«, sagt Marjana.
    »Das ist schlecht. Denn wenn ihr nur so ungefähr wieder aus der
Höhle herauskommt, dann wird das nix. Mich geht’s ja eigentlich nichts an, aber
ehrlich g’sagt hab ich das Gefühl, dass ihr überhaupt keine Ahnung vom Klettern
und schon gar nicht vom Höhlenklettern habt. Am Geld fehlt’s ja anscheinend
nicht. Darum würd ich sagen, macht’s mit dem Bertl was aus, steigt’s mit ihm
zwei, drei Tage durch ein paar Höhlen, dann wisst’s ihr zumindest das Wichtigste.«
    »Alleine wären wir sowieso nie in eine Höhle eingestiegen«, versichert
ihm Marjana. »Und wenn Sie sagen, dass der Herr …«
    »Da Bertl. In den Bergen gibt’s koan Herrn Dachsgruber. Nur an Bertl
aus da Schönau.«
    »Ja also wenn der Bertl so ein guter Kletterer und Bergführer ist,
dann klettern wir eben ein paar Tage mit ihm, wenn er für uns Zeit hat.«

Berchtesgaden, 17. Mai 2010
    Den großen Parkplatz am Königssee teilen sich die Touristen, die mit
dem Elektroboot nach St. Bartholomä fahren – und das sind fünfhundertfünfzigtausend
pro Jahr – und die Wanderer, die mit der Seilbahn eintausendzweihundert
Meter hinauf auf die Bergstation der Jennerbahn fahren.
    Die Talstation sieht aus wie eine große Pension aus den frühen
fünfziger Jahren, nur dass auf der Bergseite zwei Seile nach draußen gehen und
über zahlreiche Stahlmasten auf den Berg hinaufgeführt werden. Alle fünfzig
Sekunden rattert eine der betagten Silbergondeln, in der maximal zwei Personen
Platz finden, auf das Seil und dann nach oben.
    Wiktor kauft die Fahrkarten, und sie reihen sich vollbepackt mit
Rucksack, Seilen und Karabinern in die Schlange ein, die im Zickzack zum
Drehkreuz führt, das man vor dem Einstieg in die Gondel passieren muss.
    Wiktor und Luba nehmen die erste Gondel und winken Marjana zu, die
auf die nächste wartet.
    »Ist hier schon einmal etwas passiert?«, fragt Marjana den
Angestellten in der dunkelblauen Strickjacke, der die Gondel mit einer Hand
festhält, damit sie einsteigen kann.
    »Hier passiert ständig was, aber jetzt steigen S’ ein, die Leute hinter
Ihnen wollen ja auch noch den Berg nauf.«
    »Wenn hier ständig was passiert, steige ich nicht ein.«
    »Dann gehn S’ bitte auf die Seite und lassen S’ die Leut hinter
Ihnen schon einmal einsteigen.«
    »Wie meinen Sie denn das, dass hier ständig was passiert?«
    »Na, dass halt immer wieder einer den Berg runterfällt, sich den Arm
bricht oder einen Knöchel verstaucht. Dass ein Paraglider sich verfliegt und in
einer Baumkrone landet. Solche Sachen. In der Bahn selbst passiert Ihnen gar
nichts. Da sind Sie vollkommen sicher. Und mit Kletterseil, Karabiner und
Expeditionsrucksack ist sowieso noch keiner aus der Gondel rausg’fallen. In
fast sechzig Jahren ist noch nie der geringste Unfall passiert in dieser Bahn.«
    »Was? So alt ist die schon?«
    »Ja, aber tiptop in Schuss! Da könnten wir uns direkt eine Scheibe
abschneiden. Wir sind ja auch nimmer die Jüngsten, gell?« Er zwinkert Marjana
schelmisch zu.
    »Sie …«, setzt sie an, aber so schnell fällt ihr kein passendes
Schimpfwort auf Deutsch ein.
    »Wenn Sie oben nicht Ihre Ausrüstung ausprobieren wollen und schön
in der Nähe der Bahn bleiben, dann passiert Ihnen auch nichts. Aber jetzt
lassen S’ bittschön die Leute einsteigen, die brauchen nämlich nicht so lang
überlegen, die fahrn einfach nauf.«
    »Also gut, dann steig ich jetzt auch ein.«
    »Prima! Sehr gut machen S’ das. Wenn Sie jetzt noch die Knie anziehen,
dann tut’s nicht einmal weh, wenn die Türen automatisch schließen. Ja, so ist’s
recht.«
    Marjana sitzt allein in der Gondel. Den Bertl, ihren Bergführer,
werden sie oben in der Bergstation treffen.
    Die Gondel bleibt noch einmal stehen, pendelt leicht, bevor sie mit
einem Ruck endgültig losfährt, beschleunigt und in das Laufseil einkuppelt. Vom
Start bis zum Einkuppeln dauert es nur ungefähr fünf Sekunden, aber Marjana
wittert bereits Gefahr und schreit erschrocken auf. Der Angestellte erschrickt
ebenfalls, ist aber gleich wieder beruhigt, als er sieht, dass es nur die
hysterische Russin ist, die da ohne Anlass herumkreischt. Kein Grund, den
Notausschalter zu betätigen.
    Die Fahrt dauert zwanzig Minuten, und

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