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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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einmal Angst hat er, nur
brutale Bauchschmerzen. Die Übelkeit benebelt ihm die Sinne. Aus den
Augenwinkeln sieht er plötzlich einen Ort, den er kennt: das »Ristorante 12 Apostoli«.
Da, am Fensterplatz, eine Frau. Sie starrt ihn an, Angst und Entsetzen im
Blick. Wer ist diese Frau? Luigi kommt im Moment nicht drauf, weiß nur, dass er
sie kennt. Der Mann schleift ihn weiter und redet ununterbrochen auf ihn ein.
Er ist groß und muss sehr stark sein, denn Luigi lässt sich mitschleifen, kann
keinen eigenen Schritt tun. Und er muss Boxer oder so etwas sein. Berufsschläger,
dass er einen Menschen mit einem Schlag derartig lahmlegen kann.
    Luigi hat keine Ahnung, wohin der Mann ihn schleppt. Und warum. Die
Brieftasche hätte er ihm in den ersten Sekunden abnehmen können. Das Handy
auch. Mehr hat er nicht bei sich. Was will dieser Kerl von ihm?
    Der erste Schwall Kotze ergießt sich mit enormem Schwung und in
hohem Bogen, bevor er auf das Pflaster klatscht. Der Mann raunzt ihm ein
Schimpfwort oder einen Fluch zu, so viel meint Luigi zu verstehen, und zieht
ihn am Erbrochenen vorbei.
    Der zweite Schwall hat nicht mehr so viel Energie und sabbert direkt
von der Unterlippe auf sein royalblaues Poloshirt. Luigi riecht die Galle, die
da aus seinem Körper quillt, und spürt eine weitere Welle von Übelkeit.
Erneuter Brechreiz würgt ihn, aber der Magen gibt nichts mehr her.
    Sie sind am Ende einer Sackgasse angekommen. Der Mann stößt ihn in
einen Hauseingang, der zu einem dunklen Innenhof führt. Dort presst er ihn
gegen eine Mauer und durchsucht ihn. Nimmt ihm die Brieftasche ab. Na endlich,
denkt Luigi und hofft, dass es bald vorbei ist.
    »Luigi Balena«, liest der Mann laut von seinem Personalausweis ab.
    Luigi nickt wortlos, das Sprechen fällt ihm schwer. Dann zieht der
Mann ihm das Handy aus der Hosentasche, klickt sich durch ein paar
Auswahlmenüs, hält das Telefon schließlich ans Ohr und redet mit jemandem.
Luigi ist sich jetzt sicher, dass er Russisch spricht. Der Mann beendet das
Gespräch und versenkt Luigis Handy in seiner Brusttasche.
    Er fragt ihn auf Italienisch, wenn auch mir schwerem slawischen
Akzent, woher er das cellulare habe.
    Kann es tatsächlich sein, dass dieser Überfall etwas mit seinem iPhone
zu tun hat? Luigis Hirn fängt wieder an zu arbeiten.
    Der Mann lässt ihn los und zündet sich eine Zigarette an. Luigi
sinkt zu Boden und bleibt, mit dem Rücken an die Hausmauer gelehnt, sitzen. Der
Fremde wartet auf eine Antwort. Ein grobschlächtiger Bursche; der Schädel mit
dem kurzen blonden Haar ist wie ein grob behauener Block Granit, nein, Erz.
Luigi versucht, sich zu erinnern.
    »Germania«, sagt er, und die Zunge liegt
ihm schwer im Mund und scheint sich nur ungern zu bewegen. » Stazione ,
Bahnhof Rosenheim«, fährt er langsam fort. »Treno Verona.
Cento Euro.«
    »Von wem hast du es?«, fragt der Schläger.
    »Von einer Frau.«
    »Wie sah sie aus?«
    »Wie meine mamma .«
    »War sie allein?«
    »Das weiß ich nicht. Es waren noch andere Leute auf dem Bahnsteig.«
Luigi dreht den Kopf von seinem verkotzten T-Shirt weg. Der Geruch löst neue
Übelkeit aus.
    »Wohin ist sie gefahren?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt Luigi.
    »Denk nach!« Der Mann kickt ihm die Spitze seiner zwiegenähten
Budapester in die Leiste.
    Luigi stöhnt auf und schließt die Augen. Die Frau steht wieder vor
ihm und redet auf ihn ein. Sie hat einen großen Mund mit vielen Zähnen und
zweifarbiges Haar, grau und schwarz. Sie spricht Deutsch. »Lago
Del Re«, bringt er heraus, »Königssee.«
    Er ist sich nicht sicher, ob sein Peiniger es verstanden hat, und
krümmt sich vorsichtshalber zusammen, um seine Weichteile zu schützen. Aber der
Russe scheint sein Genuschel verstanden zu haben. Oder doch nicht? Luigi
beobachtet aus zusammengekniffenen Augen, wie der Mann seine Kippe in den
Innenhof schnippt und einen Schritt auf ihn zumacht. Er holt mit der Faust aus.
    Luigi schließt die Augen und erwartet den Schlag.
    »Bist du ganz sicher?«, knurrt der Mann.
    Luigi nickt und riskiert es, ein Auge wieder aufzumachen.
    »Noch etwas, was du mir erzählen kannst?«, fragt der Koloss über ihm
drohend.
    Luigi schüttelt den Kopf, und der Mann dreht sich um und ist nach
wenigen Schritten um eine Hausecke verschwunden. Luigi befühlt seine brennende
Leiste und hält sich dann den Kopf mit beiden Händen. Nein, er hat diesen
Zusammenstoß nicht geträumt, und er ist ihm passiert, keinem anderen. Er ist
Luigi Balena, Student in

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