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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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schon merken.
    Das Steinerne Meer und den Watzmann hat sie nun im Rücken, der Fels
glänzt im mittäglichen Sonnenlicht. Der Weg ist jetzt ein viel begangener,
etwas rutschiger Steig. Sie steigt in den Kamin, einen der Steige zum
Purtschellerhaus, ab. Ein schmaler Schacht zwischen den Felswänden, für weniger
Geübte mit einem Stahlseil und einigen Stahlklammern gesichert.
    Leni verlässt sich beim Klettern auf den Fels, Stahl und Eisen
braucht sie nicht. Im Spagat findet sie mit den Füßen Halt im Fels, dann hängt
ihr Gewicht an einer Hand. Meter für Meter arbeitet sie sich nach unten, immer
auf einem anderen Weg als dem markierten. Kurz bevor sie unten ankommt, klinkt
sich dreißig Meter über ihr ein jüngeres Paar in das Sicherungsseil ein.
Ungeschickt nach Halt suchend, Tritte ausprobierend und am Seil hängend, tapsen
die beiden nach unten und treten ein paar Steine los, die ganz knapp an Lenis
Kopf vorbei nach unten stürzen.
    »Achtung, da kommt was«, ruft der Mann von oben, als der Stein
längst an ihr vorüber ist.
    Sie wartet, bis die beiden bei ihr unten angekommen sind, dann macht
sie ihrem Ärger Luft. Die Wanderer verstehen nicht alles, aber genug, dass sie
sich noch mit erhitzten Wangen anstarren, als Leni schon weitermarschiert und
um den nächsten Felsvorsprung verschwunden ist.
    Sie hat den Ärger dort gelassen, wo er ihrer Meinung nach hingehört,
und läuft nun fast den Steig in Richtung Hütte. Der Weg ist nicht ungefährlich.
Immer wieder kommt es hier zu Abstürzen. Aber heute ist der Felssteig an dieser
Stelle trocken und Leni sowieso trittsicher.
    An dem Wegkreuz, an dem zwei Steige zusammenkommen, macht sie kurz
Rast. Unter ihr liegt exponiert das auf dem Eckerfirst stehende
Purtschellerhaus, weiter nördlich blickt sie auf die senkrecht abfallenden
Felswände des Untersbergs. Nun ist es nicht mehr weit bis hinunter zur Berghütte.
    »Ja, da schau her, wer heut zu uns kommt. Grüß dich, Leni, lang bist
du nicht mehr hier oben gewesen.«
    »Stimmt schon, Traudl, aber weißt eh, die Arbeit.«
    »Ja, ja, die Arbeit. Was macht denn dein Bub? Ist er wieder irgendwo
in der Weltgeschichte unterwegs?«
    »Der Simon ist in Australien. Oder, wart, ich glaub eher in Neuseeland.«
    »Wieder mit dem Seil?«
    Leni nickt.
    »Der Simon ist halt ein narrischer Hund – manche sagen, genau
wie seine Mutter. Was magst denn trinken, Leni?«
    Sie bestellt ein Weißbier und genießt den Blick von der Terrasse
hinüber auf die Obere Ahornalm und nach Osten hinunter ins österreichische
Kuchl. Das Purtschellerhaus steht genau auf der deutsch-österreichischen
Grenze. Als Kuriosum ist die Landesgrenze im Haus mit einem Plastikband am
Boden markiert. Eine der Sonnenterrassen liegt in Bayern, die andere in
Österreich. Bei jedem Betreten des Hauses, auf dem Weg zu den Toiletten,
überschreitet man die Landesgrenze.
    Der Wirt bringt Leni ihr Weißbier persönlich.
    »Leni, sieht man dich auch mal wieder bei uns! Hast frei heute?«
    »Ich bin im Dienst, Heinz, auch wenn’s grad nicht so ausschaut.«
Leni strafft den Oberkörper und zupft an der Bluse, wo der Knopf fehlt.
    »Ach so? Hat das was mit dem Hubschraubereinsatz oben am Kehlstein
zu tun? Wir haben ihn fliegen gehört und gedacht, da hat sich vielleicht jemand
verstiegen.«
    »Nein, diesmal keine Pfadfinder aus Wanne-Eickel, die unsere Warnschilder
nicht lesen können und mit Turnschuhen auf dem Grat herumkraxeln.«
    »Was war denn los da oben?«
    »Da ist einer in einer Höhle abgestürzt.«
    Heinz wischt sich die Hände an der blauen Schürze ab und setzt sich.
»Oben, in der großen Höhle?«
    »Nein. Die Höhle, in der wir ihn g’funden haben, ist noch gar nicht
bekannt. Sie ist unter dem großen Schneetrichter unterm Gipfel, wo man zum
Hohen Brett rübergeht.«
    »Da gibt es eine Höhle?«
    »Da geht’s mindestens hundertfünfzig Meter senkrecht runter.«
    »War der allein unterwegs?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Wie habt ihr den überhaupt g’funden?«
    »Der Aschenbrenner Sepp, aus der Stanggaß, hat ein abgeschnittenes
Stück Seil am Einstieg gefunden. Deshalb sind wir da überhaupt runter. Und
unten haben wir ihn dann gefunden, mit seinen durchgeschnittenen Seilen am
Gurt.«
    »Tot?«, fragt Heinz.
    »Mausetot.«
    Heinz schüttelt sich. »Wer tut denn so was? Des is ja, ja des is ja
glatt …«
    »Genau so schaut’s aus, ja.«
    Heinz streicht sich mit der Hand über die stoppeligen Wangen.
»Habt’s ihr den gekannt, den

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