Hirschgulasch
drucken?«
»Nein, er ist weder Falschmünzer noch Kurier. Es ist eher der Mann
fürs Grobe. Die rechte Hand von Jurij Koch, dem Paten von Kiew. Oder seine
Wunderwaffe. Er sorgt dafür, dass Jurij der Big Boss bleibt und keiner an ihn
rankommt.«
»Ein Killer also.«
»Der perfekte Killer.«
»Ja, aber einen gibt’s, der war noch schlauer als der Top-Kriminelle
Wladimir, nämlich der, der ihm das Seil durchgeschnitten hat.«
Weidinger zuckt mit den Achseln.
»Jetzt muss dieser Jurij selbst dafür sorgen, dass ihm keiner an die
Wäsche geht. Aber wenn ihr vom LKA schon so
schlau seid, dass ihr das alles wisst, so als würdet ihr die Russen schon lange
im Visier haben, können Sie mir dann sagen, was dieser Typ hier bei uns in
Berchtesgaden gesucht hat? Hat der hier Urlaub gemacht und ist als
Hobby-Speleologe auf dem Göll herumgekraxelt, um neue Höhlen zu entdecken? Der?
Ein Urlauber wie die aus Gelsenkirchen, die sich auf dem Königssee das Echo
blasen lassen?«
»Nein, ich befürchte, er hat sich eher nicht in die Sommerfrische
hierher begeben. Und auf dem Berg ist er wohl auch nicht zum Vergnügen
herumgelaufen. Aber es ist Ihr Fall, und wenn Sie bei seiner Aufklärung auch so
beherzt zupacken wie beim Abseilen in diese Höhle, dann werden Sie
dahinterkommen, was er hier gesucht hat, und vor allem, wer der Katze nun das
Genick gebrochen hat. Sie werden von mir jede Unterstützung bekommen, die Sie
brauchen.«
»Es ist nicht mein Fall«, sagt Leni. »Es ist dem Angermayer sein Fall.«
»Wie? Ach so, wegen Ihrer privaten Pläne. Ich habe gehört, Sie haben
ein Sabbatjahr beantragt. Was haben Sie denn Großes vor, eine Reise?«
»Ich geh auf die Alm.«
»Jetzt nehmen Sie mich auf den Arm«, sagt Weidinger.
»Ich geh wirklich auf die Alm.«
»Im Ernst?«, fragt Weidinger amüsiert. »So ein Rückzug in die Einsamkeit?
Passt das zu Ihnen?«
»Eine Alm ist keine Einsiedelei, da haben Sie eine ganz falsche Vorstellung.
Und mich kennen Sie ja erst eine halbe Stunde.«
»Aber der Bär ist auch nicht los da oben, auf einer Alm, oder?«
»Ich geh auch nicht wegen den Bären, sondern wegen den Kühen rauf.«
»Kann man das nicht verschieben, wenn’s schon unbedingt sein muss?«
»Lange kann ich es nicht mehr verschieben, denn jetzt geht die
Almsaison los.« Magdalena zieht den Reißverschluss ihrer Jacke zu.
»Sie frieren ja«, sagt Weidinger. »Kommen Sie, ich fahr Sie jetzt
heim, und morgen treffen wir uns zur ersten Besprechung bei Ihnen in
Berchtesgaden.«
»Haben Sie schon eine Unterkunft?«, fragt Leni im Auto.
»Ich bin im Edelweiß abgestiegen. Haben Sie sich das neue Hotel
schon angeschaut?«
»Ich leb seit über zwei Jahren mit der Riesenbaustelle ›Hotel
Edelweiß‹ und hab alle Staus und Umleitungen mitmachen müssen in der Zeit. Das
reicht mir erst einmal. Aber alle sagen, dass es schön geworden ist, schön groß
auf jeden Fall.«
»Ja, ich finde auch, das macht ganz schön was her, da mitten im
Ortskern. Es bringt fast so einen Hauch von … ja, Großstadt nach
Berchtesgaden. Ist der Hotelier ein Einheimischer?«
Leni schüttelt den Kopf.
»Da wird sich doch nicht ein arabischer Großinvestor mitten in den
Talkessel gepflanzt haben?«
»Nein, schlimmer«, grinst Leni. »Ein Österreicher. Und fesch ist er
außerdem. Und seinen Familienclan hat er gleich mitgebracht und seine ganze
Mannschaft für Hotel und Gastronomie dazu.«
»Das klingt entweder nach verletztem Einheimischen-Stolz oder nach
Neid, Kollegin.«
»Großer Erfolg und große Reichtümer rufen immer auch Neid hervor,
das ist schon klar. Aber was uns so irritiert, ist die Geschwindigkeit, mit der
der Hotelier sich hier einkauft: Markthäuser, Traditionshotels, sogar das
Berchtesgadener Bauerntheater und das neue Biomasse-Heizkraftwerk stehen auf
seinem Einkaufszettel.« Leni redet sich warm. »Wofür er in seiner Heimat im Pongau
dreißig Jahre gebraucht hat, das schafft er hier in drei. Im Übrigen geht mich
das eigentlich sowieso nichts an.«
»Wieso denn nicht?«, will Weidinger wissen.
»Ich bin ja gar keine Berchtesgadenerin.«
»Sondern?« Weidinger sieht sie verdutzt an.
»Schönauerin«, sagt Leni. »Bis morgen dann, Herr Kollege, und
schönen Abend noch.«
***
Leo Weidinger verlässt später am Abend noch einmal das Hotel, um
frische Luft zu schnappen und ein Zigarillo zu rauchen. Er schlendert an der
Glasfassade des Hotels entlang. Das riesige Restaurant ist hell erleuchtet,
zählt aber an diesem Abend
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