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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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ihm breiten sie
ihre Flügel aus und bleiben abrupt in der Luft stehen.
    Ein gellender Schrei, und die Dohlen stürzen sich auf die Pommes-Stückchen,
die ihnen der Junge zuwirft, fangen sie im Flug. Als sie merken, dass die
Ration aufgefressen ist, verschwinden sie mit der gleichen Geschwindigkeit, mit
der sie gekommen sind.
    Wladimir nimmt mit dem Spektiv das in nördlicher Richtung unter ihm
gelegene Hotel Intercontinental ins Visier. Er misst die exakte Entfernung zum
Ziel und schießt einige Fotos mit der im Fernrohr integrierten Kamera. Würde er
die drei heute nicht erledigen, so hätte er zumindest perfekte Fotos von ihnen
und ihrem Hotelzimmer. Die Digitalanzeige im Spektiv zeigt
zweitausenddreihundertfünfzig Meter Entfernung an. Es ist fraglich, ob er auf diese
Distanz drei Schüsse hintereinander exakt ins Ziel führen könnte.
    Sein Hochpräzisionsgewehr, ein Unique Alpine TGP -1,
trifft bis zweitausend Meter sicher, aber die Objekte sind dreihundertfünfzig
Meter weiter entfernt. Auf dem Weg zum Ziel müsste das Projektil auch noch eine
dicke Glasscheibe durchschlagen. Und das Schwierigste: Er muss dreimal
hintereinander genau und schnell treffen, um nicht zu riskieren, dass einer der
drei fliehen kann. Ein zusätzliches Handicap ist der Schalldämpfer, den er
verwenden muss, um nicht von Touristen, die ein paar hundert Meter über ihm das
Kehlsteinhaus besuchen, entdeckt zu werden.
    Er macht einen ersten Versuch. Lubas Hinterkopf im Fadenkreuz, er
schnalzt mit der Zunge und nimmt den zweiten und den dritten Kopf zum Ziel.
Sein Gefühl sagt ihm, es könnte klappen. Er legt den kleinen Hebel mit der
Bezeichnung VL auf »on«. Noch immer steht Luba
mit dem Hinterkopf zum Fenster, er hat ihn im Fadenkreuz, er ahnt ihre
Bewegungen, behält ihren Kopf im Fadenkreuz, dann zieht er gleichmäßig den
Abzug durch. Es macht klack, und er sieht auf Lubas Hinterkopf den erwarteten
roten Punkt. Er nimmt den nächsten Kopf ins Visier, Marjanas Stirn, klack.
Zuletzt hat er Wiktors Auge im Fadenkreuz. Als ahnte Wiktor, dass ihm Gefahr
droht, richtet er genau in diesem Moment seinen Blick zum Kehlsteinhaus. Klack.
Wladimir sieht auch diesmal den roten Punkt, er liegt auf Wiktors Pupille.
    Wladimir legt das Gewehr zur Seite und atmet einige Male tief durch.
Mehr als sieben Sekunden zeigt die Digitalanzeige im Zielfernrohr an, als er
seine kurze Pause beendet. Der Computer im Zielfernrohr hat in der Stellung VL exakt berechnet, wie viel Zeit vom ersten bis zum
letzten Treffer verstrichen wäre, hätte Wladimir nicht mit Lasersimulation,
sondern scharf geschossen. Sieben Sekunden ist zu lange. Zumindest das letzte Opfer
hätte sich längst in Sicherheit gebracht und alles, was es weiß, verraten.
    Jurij hat ihm freie Hand gegeben, als Wladimir ihn über seine
Vermutung informierte. Es war schon fast Abend gewesen, als er in Rosenheim,
aus Verona kommend, in den IC  Königssee stieg.
Als der Zug an einem See vorbeifuhr, in dem er eine Insel erkennen konnte und
eine Schar Möwen, die in Ufernähe im Wasser schaukelte, hatte er Jurij endlich
erreicht.
    »Ich glaube, die drei sind hinter etwas Größerem her«, berichtete er
ihm.
    »Das weiß ich«, antwortete Jurij. »Finde heraus, was sie vorhaben,
oder leg sie gleich um. Es ist mir egal. Nur entkommen dürfen sie auf keinen
Fall.«
    Auch wenn es ihn in den Fingern gejuckt hatte, die Sache gleich zu
erledigen, ist es doch auch gut, dass es heute nicht geklappt hat. Denn er
möchte erfahren, was die drei hierhergetrieben hat.
    Noch einmal richtet Wladimir das Spektiv auf das Hotelfenster,
hinter dem sich die drei Helden aufhalten. Er zoomt näher und sieht, wie Luba
etwas auf dem Tisch ausbreitet, das wie eine Karte oder ein Lageplan aussieht.
Er nimmt die Karte in den Fokus und fährt das Zoom auf maximale Brennweite.
Wiktor steht wieder wie ein Schlafwandler auf und geht ans Fenster, vermutlich
um die Gardinen zuzuziehen. Das Fokussieren dauert zu lange, viel zu lange,
aber Wladimir weiß, wenn er nicht abwartet und zu früh auslöst, wird er auf dem
Foto gar nichts erkennen.
    Als sich die Optik endlich scharf gestellt hat, ist schon mehr als
die Hälfte des Plans von der Gardine verdeckt. Wiktor drückt ab. Innerhalb von
Sekundenbruchteilen schießt die Kamera eine Serie von einem Dutzend Fotos, die
er am Abend im Hotel auswerten wird. Entschlossen zum Aufbruch, dauert es keine
fünf Minuten und Gewehr und Dreibein, ebenso das Stativ und das Fernrohr sind
zerlegt und im

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