historical 176 - Meer der Sehnsucht.doc
gerettet."
„Wie, um alles in der Welt, hast du das bloß geschafft, Ambrosia?"
„Ich weiß nicht, Bethany." Ambrosia schüttelte leicht den Kopf, als wäre sie selbst verwundert darüber, dass sie den Piraten das Gold entwendet hatte. „Ich war so unglaublich wütend. Ich fand es so ungerecht, dass diese Halunken auch noch belohnt werden sollten für ihre Grausamkeiten. Ich glaube, es war mein Zorn, der mir die Kräfte verlieh zu tun, was ich getan habe. Das Feuer entfachen. Das Gold für den König retten. Pferd und Wagen stehlen."
„Das alles hast du getan?" Bethany riss vor Bewunderung die Augen weit auf. „Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen."
„Ich auch!" Darcy klatschte in die Hände. „Du musst uns alles genau erzählen, Ambrosia."
Ihr Großvater nickte. „Dem kann ich nur beipflichten. Du hast uns eine Geschichte zu erzählen, und wir wollen jede noch so winzige Einzelheit hören."
„Das werde ich tun. Versprochen." Ambrosia küsste ihn zärtlich auf die Wange.
„Vielleicht heute Abend, wenn wir hier auf dem Schiff alle zusammen essen. Jetzt will ich erst mal in die Takelage hinauf, um zu sehen, was unsere Verfolger treiben."
Und so geschah es. Wenig später waren die drei Schwestern an dem höchsten Ausguck und suchten mit den Blicken den Horizont ab.
Unten sah Geoffrey den jungen Mann an seiner Seite aufmerksam an. Auf dessen Gesicht lag ein Ausdruck, der all seine Gefühle preisgab.
„Du hast eine erstaunliche Enkelin, Geoffrey."
„Ja, mein Junge."
„Wenn sie nicht gewesen wäre, stünde ich jetzt nicht hier an Deck."
„Ambrosia meint, du habest ihr umgekehrt ebenfalls das Le ben gerettet." Er reichte Riordan die Hand. „Und dafür stehe ich alle Zeit in deiner Schuld."
Tief bewegt schüttelten die beiden Männer einander die Hand. Dann begab sich Riordan an den Bug und löste Newton am Steuerrad ab. Und während er die frische Brise im Gesicht genoss und die Planken des Schiffes unter den Füßen spürte, musste er daran denken, was er beinahe verloren hätte. Und an all das, was er gewonnen hatte!
Er legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben in die Takelage. Ambrosia und ihre Schwestern lachten bei der Arbeit. Ein Blick über die Schulter zeigte Riordan die beiden alten Männer, wie sie einträchtig an der Reling lehnten. Zwar konnte er nicht hören, was sie sagten. Doch er war sicher, dass Geoffrey und Newton über längst vergangene Zeiten sprachen und Erinnerungen an bestandene Abenteuer auf hoher See aus tauschten.
Ganz in der Nähe saßen die beiden Hausangestellten. Sie steckten die Köpfe zusammen und durchlebten noch einmal jeden Moment ihrer gefährlichen Flucht. Aus ihren Stimmen klang unverkennbar Stolz über das Geleistete.
Dieser Tag war ein Geschenk, und zwar eines, das nicht ge nug geschätzt und gewürdigt werden konnte. Und heute Nacht, wenn alles nach Plan verlief, würden sie in London sein.
„Autsch!" Ambrosia betrachtete stirnrunzelnd ihren Finger. Sie hatte sich soeben mit einer Nadel gestochen, und ein winziger Tropfen Blut hinterließ einen Fleck auf dem Stück Stoff, an dem sie und ihre Schwestern arbeiteten.
Sie sprang auf. „Du weißt doch, Winnie, dass ich kein Geschick für Handarbeiten habe. Ich habe den Umgang mit Nadel und Faden schon immer gehasst." Zur Bekräftigung ihrer Worte stampfte sie einmal kräftig mit dem Fuß auf.
„Ja, mein Mädchen. Das ist mir wohl bekannt. Aber wenn es ums Klettern und Springen ging, warst du immer eine gelehrige Schülerin."
Auch Bethany schob unwillig den Stoff beiseite. „Warum müssen wir uns überhaupt diese Mühe machen?" wollte sie wissen. „Es wird doch sowieso niemand anerkennen."
„Warum wir uns die Mühe machen?" wiederholte Miss Mellon empört. „Weil dieses hier ein Piratenschiff ist. Wollt ihr etwa, dass bei unserer Ankunft in London auf uns geschossen wird?"
Riordan schlenderte über das Deck und blieb neben den Damen stehen. „Was ist los? Kann ich irgendwie helfen? Was soll das denn sein?" Er deutete auf den Stoff.
„Die englische Flagge." Ambrosia fing seinen zweifelnden Blick auf. „Zumindest versuchen wir, eine Flagge zu nähen. Aber wir drei stellen uns gleichermaßen ungeschickt dabei an. Nur Winnie verfügt über das erforderliche Talent."
„Wolltest du dieses Stück Stoff als Flagge hissen?" Ungläubig musterte er die Kinderfrau.
„Ja, selbstverständlich." Miss Winnie begann, die Fehler der Mädchen zu beheben. Sie war sicher, dass sie aus diesem
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