HISTORICAL Band 0264
erst, statt schon Abschied zu nehmen!“, sagte sie träumerisch.
„Ja, Liebste, das wäre es allerdings“, gab er mit einem glücklichen Lächeln zurück. Er war hingerissen, dass sie endlich begann, wieder Zutrauen zu zeigen, wollte sie aber auf keinen Fall in dieser Nacht drängen, noch weiter zu gehen. „Sei unbesorgt, die fröhlichen Tage haben erst begonnen. Ich schwöre dir, das Leben mit seiner Narretei wird dich nicht enttäuschen. Morgen komme ich wieder und helfe dir beim Backen!“
„Beim Backen?“, wiederholte sie überrascht, doch er war bereits gegangen. Ihre Lippen brannten noch von seinen heißen Küssen, und sie sehnte sich nach mehr.
Welch wunderbarer Weihnachtstag war das gewesen!
Die folgenden Tage waren ebenso wunderbar. Cameron verbrachte die meiste Zeit in Duncan House. Er erklärte seine häufige Anwesenheit damit, dass er Miss Duncan unbedingt so oft besuchen müsse, weil die Leute ja annahmen, sie beide seien inoffiziell verlobt. Morgens, sobald der Nebel sich hob, gingen sie spazieren und ritten aus, wenn der Mond am Himmel stand. Blair war sogar einmal zum Abendessen in Lindsay Hall gewesen, sehr zum Verdruss von Mrs. Brown. Cameron verstand es, das Gespräch so zu führen, dass es nicht zur ernsthaften Diskussion wurde. Jeder Frage nach seinem Leben in London oder der, wer denn wirklich hinter dem geheimnisvollen Dieb stecke, wich er mit einem Lächeln oder harmlosen Scherz aus. Jedes Mal, wenn Blair so weit war, ihm rückhaltlos Vertrauen zu schenken, verschloss er sich, und sie musste von Neuem annehmen, er habe etwas zu verbergen, etwas Unerfreuliches und Gefährliches. Sosehr es sie auch drängte, ihn von ganzem Herzen zu lieben, so sehr kamen ihr Zweifel, weil er ihr nicht die ganze Wahrheit sagen wollte.
„Heute habe ich eine silberne Konfektschale von Lord und Lady Haverbrook bekommen“, sagte sie, als sie am letzten Tag des Jahres beim Backen waren. „Vermutlich zur Verlobung.“ Blair konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihren hübschen Küchenjungen zu necken. Sie hob die Hand und kniff ihn in die Nase, als er damit beschäftigt war, die Tabletts für die Teekuchen mit Mehl zu bestäuben. „Nun sag mir, was ich mit einem so seltsamen Menschen wie dir anfangen soll? Ich kenne keinen schottischen Mann, der auch nur daran dächte, so tief zu sinken und einer Frau bei der Hausarbeit zu helfen. Aber schmecken lassen sie es sich alle sehr gern!“
„Und ich kenne keine einzige kluge Frau in England, die es wagen würde, mich zu ärgern, wenn ich Mehl an den Händen habe“, antwortete er und drohte ihr scherzhaft mit dem Zeigefinger.
„Auch keine, die ihre Kleider bei Miss Eloise nähen lässt?“
„Nein!“, erwiderte er, kam schnell um den Tisch und stäubte einen Tupfer Mehl auf Blairs Nase. Das war die Strafe für das helle Lachen, das seine betont finster gerunzelte Stirn bei Blair ausgelöst hatte. Bevor er ausweichen konnte, blies sie ihm Mehl ins Gesicht und wollte sich schleunigst aus dem Staube machen. Ihre Augen leuchteten so voll ungetrübten Glücks, dass er sich nicht beherrschen konnte, Blair an sich zog und herzlich küsste. Es tat ihm wohl, dass sie seine Zärtlichkeiten duldete, sich in seine Arme schmiegte und sichtlich seine Nähe genoss.
Erst Mrs. Browns unüberhörbares Hüsteln brachte Cameron und Blair wieder zur Vernunft. Empört machte die Haushälterin sich mit Übereifer am Herd zu schaffen. „Zu meiner Zeit geschah dergleichen ganz verstohlen, und man hinterließ auch keine verräterischen Spuren, Mylord“, brummte sie und klopfte Miss Duncan zwei Handabdrücke vom Rücken. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie verschwinden und die Miss in Ruhe arbeiten lassen würden.“
„Ich denke nicht daran, solange sie mich nicht hinauswirft, Mrs. Brown“, sagte der Earl sehr bestimmt und schaute fragend zu Blair. Nur noch eine Lieferung nach Duncan House, und dann konnte er seine Rolle als diebischer Wohltäter aufgeben. Hoffentlich war er danach ein stets willkommener Gast. Nun bot sich eine gute Gelegenheit für Blair, sich ihm zu erklären, denn heute war Silvester und die Frist abgelaufen, die Cameron sich gesetzt hatte, um Blair Duncans Jawort zu erhalten. „Also, sag mir, dass ich bleiben soll“, bat er Blair.
Er konnte nicht verlangen, dass sie sich so schnell entschied. Es waren zu viele Fragen offen, die nach der wahren Identität des Diebes oder wo sie leben würden, wenn sie Camerons Heiratsantrag annahm. Und mit
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