HISTORICAL Band 0272
meinte James sanft. „Du wirst so beschäftigt sein, dass du gar keine Zeit haben wirst, an Heimweh zu leiden.“
3. KAPITEL
Susanna hätte ihren Vater am liebsten gebeten, nicht gerade an diesem Abend nach London aufzubrechen. Natürlich hatten sie häufig Meinungsverschiedenheiten gehabt – nein, das war noch untertrieben. Sie und ihr Vater hatten heftig gestritten und sich Dinge an den Kopf geworfen, die ihnen später leidtaten. Dennoch liebte Susanna ihn, und sie vermisste ihn schon jetzt. Und sie hatte Angst um ihn. Einzig ihr Stolz hinderte sie daran, ihn eindringlicher zum Bleiben zu überreden.
Schon hielt die Kutsche vor dem Royal Arms . James stieg aus, um Susanna hinabzuhelfen. Bevor auch sie sich erhob, räusperte sie sich: „Ich hoffe, du wirst auf deiner Reise gut auf dich aufpassen, Vater.“
Beruhigend lächelte er ihr zu. „Aber natürlich, mein Kind. Mach dir nur keine Sorgen. Auf Wiedersehen.“
Fragend sah sie ihren Vater an. War das alles, was er ihr zum Abschied zu sagen hatte? „Mach dir nur keine Sorgen …“ Wollte er ihr nicht einmal alles Gute für ihr zukünftiges Leben wünschten? Oder auf irgendeine Weise andeuten, dass er sie vermissen würde? Vielleicht sahen sie sich nie wieder …
Doch da von seiner Seite nichts mehr kam, raffte Susanna wortlos ihre Röcke zusammen und stieg aus. Tränen schossen ihr in die Augen, mehr aus Enttäuschung als aus Liebe.
Der Schotte – sie musste daran denken, ihn in der Öffentlichkeit Garrow zu nennen – wartete schon und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie nahm sie und tastete mit den Füßen nach der kleinen hölzernen Klapptreppe, die er für sie heruntergelassen hatte. Ihre Röcke wogten so weit, dass sie auch ohne Tränen weder die Treppe noch die Straße unter sich hätte sehen können.
„Susanna, meine Liebe, beeile dich bitte ein bisschen“, drängte ihr Vater. „Verabschiede dich schnell von deinem Mann, damit wir aufbrechen können.“
Von deinem Mann .Ihr Vater wollte, dass sie sich von ihrem Mann verabschiedete, damit er sie endlich los war! Plötzlich überkam Susanna ein unbändiges Verlangen, ihren Vater zu verletzen.
Abrupt wandte sie sich ihrem Bräutigam zu, griff mit einer Hand nach seinem steifen Kragen. Die andere Hand legte sie um seinen Nacken. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, zog ihn an sich und küsste ihn.
Sie presste ihre Lippen kräftig auf seine und ließ ihre Zunge in seinen Mund gleiten, so wie er selbst das in der Kirche gemacht hatte. Jawohl, das war es, ein wilder, leidenschaftlicher Kuss unter dem grellen Licht der Straßenlampe. Das war wirklich skandalös, viel anstößiger noch als ihre Reden in London! Ihr Vater würde toben!
Plötzlich schlossen sich die Arme des Schotten um sie. Susanna wurde hochgehoben. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte James die Führung übernommen. Er küsste sie mit einer verzehrenden Leidenschaft, die sie völlig benommen machte. Für einen Moment schien ihr Denken auszusetzen. Stürmisch erwiderte sie seinen Kuss.
Wieder und wieder küsste James sie und presste ihren Körper so fest an sich, dass Susannas Brüste unter dem Druck schmerzten. Die Stangen ihres Korsetts bohrten sich schmerzhaft in ihre Rippen. Fast unmerklich stieg ihr der Geruch von Heidekraut zu Kopf, der von James ausging. Susanna gab sich mit geschlossenen Augen seinem Kuss hin, leidenschaftlich, bedingungslos, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, was sie tat. Es war berauschend, geküsst zu werden. Und noch nie hatte es sich so gut angefühlt, ohnmächtig zu werden, dachte sie, als kleine Funken vor ihren Augen stoben.
Dann löste sich James von ihr und setzte sie ab. Am liebsten hätte Susanna laut „Nein“ gerufen. Sie hatte noch lange nicht genug von ihm. Sie umklammerte immer noch seinen Nacken, selbst als er sie schon wieder abgesetzt hatte. Erneut zog sie ihn zu sich herunter, presste sich an ihn und küsste ihn, diesmal sanfter.
Der Schmerz, den das Korsett unter dem kräftigen Druck seiner Hände auslöste, war alles, was sie davor zurückhielt, sich völlig in den euphorischen Glücksgefühlen zu verlieren, die das Küssen bei ihr auslöste. Daran, wie sich seine Finger in ihre Seite verkrampften, erkannte sie, dass sie ihn offenbar ebenso aufwühlte wie er sie. Plötzlich spürte sie, wie ein Gefühl von Macht in ihr aufstieg, das sie zu verzehren schien. Was für eine Offenbarung, welch neue Möglichkeiten taten sich da auf!
Abrupt schob sie ihn
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