HISTORICAL Band 0272
eigenartiges Gefühl, dachte er. Und auch der Vollmond war mit einem Mal verschwunden. Der Himmel war schwarz. Seine Hände und sein Gesicht fühlten sich feucht an. Seltsam, dass der Regen so warm ist, dachte er müde. Ein starker Schmerz durchzuckte seine Hüfte. Nein, es war nicht Regen, was er spürte, dies wurde ihm klar, sondern Blut. Sein Blut. Er hatte Blut an den Händen und im Gesicht!
„Ich … ich glaube, ich bin angeschossen“, flüsterte er verwundert mit gebrochener Stimme, bevor er in die Dunkelheit versank.
4. KAPITEL
Susanna kuschelte sich tief in die weiche Daunendecke und genoss die Berührungen des Mannes, der sie in den Armen hielt. Seine blasse, elegante Hand glitt wie ein dünnes Tuch aus Seide über ihre Haut. „Hmmm!“, stöhnte sie genießerisch und schmiegte sich an ihn.
Sie runzelte die Stirn, als er plötzlich grob nach ihrer Schulter griff und sie erbarmungslos schüttelte.
„Bitte, bitte, wachen Sie auf, Mylady! Beeilen Sie sich! Ich soll Sie holen!“
Susanna öffnete die Augen und schoss in die Höhe. Verwundert starrte sie das Dienstmädchen an, das statt des eleganten blassen Mannes, von dem sie geträumt hatte, vor ihr stand.
„Ihr Vater ist zurück“, stotterte das Mädchen. „Er … er sagt, Sie sollen sich beeilen!“
Mein Vater ist zurückgekommen? Irgendetwas Schreckliches muss passiert sein, dachte Susanna, schlug die Bettdecke zurück und hastete in den Salon. Aber ihr Vater war nicht zu sehen. Das Hausmädchen folgte ihr und deutete auf das zweite Schlafzimmer. „Da drin, Mylady. Er ist angeschossen worden!“
„O nein, das ist nicht wahr!“, rief Susanna entsetzt. Mit einem Satz hatte sie die Tür zum Schlafzimmer geöffnet, wobei sie ihren Vater fast umgerannt hätte. Er schien unverletzt zu sein. Jedenfalls war auf den ersten Blick kein Blut zu sehen.
„Oh, Vater! Dem Himmel sei Dank! Das Mädchen meinte …“
Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie leicht. „Susanna, James ist verletzt! Er hat mir das Leben gerettet. Nun müssen wir zusehen, dass wir seines retten.“
Susannas Blick wanderte von ihrem Vater hinüber zu dem großen Himmelbett. Auf dem schneeweißen Laken lag der Schotte, die Hände auf dem Brustkorb gefaltet, die langen Beine ausgestreckt. Er war aschfahl und sah aus, als wäre er tot.
Eine Hand war blutverschmiert. Hellrotes Blut tränkte an der Hüfte seine Hosen. Seine Stirn war blutverkrustet, während die Augen des Schotten geschlossen waren. Regungslos lag er da. Nur das fast unmerkliche Heben und Senken seines Brustkorbs verriet, dass er noch lebte. Susanna drückte sich um ihren Vater herum und trat ans Bett. Bedächtig strich sie ihm die dunklen Locken aus der Stirn und betrachtete die tiefe, immer noch blutende Schramme an seinem Kopf. „Vater! Das sieht ja schrecklich aus!“
„Ich glaube, die Wunde ist nicht tief“, sagte der Earl und trat neben sie. „Aber sein Bein macht mir Sorgen. Der Doktor ist schon unterwegs. Wir sollten deinen Mann entkleiden und das getrocknete Blut abwaschen.“
Susanna nickte und machte einen Schritt zurück. „Ich werde jemanden mit Wasser und Kleidern schicken. Soll ich auch nach einem Diener läuten, der ihm behilflich sein kann?“
Ärgerlich verzog der Earl das Gesicht. „Er ist dein Mann, Susanna. Willst du dich nicht selbst um ihn kümmern?“
„Aber es schickt sich nicht … ich weiß doch gar nicht ….“, stammelte sie, bevor sie verstummte.
„Unsinn! Du bist eine erwachsene Frau! Und du hast diesen Mann geheiratet. Also hilf mir, ihn auszuziehen. Du bist doch sonst auch nicht so prüde.“
Über seine Schulter hinweg befahl er dem Mädchen, das im Türrahmen stand: „Bring mir einen Eimer heißes Wasser und saubere Leintücher. Und dann warte unten und bring den Doktor her, sobald er eintrifft.“ Eilfertig verschwand das Mädchen.
„Mach schon, Susanna“, ordnete ihr Vater an. „Zieh ihm das Hemd aus! Ich schaue mir die Hosen genauer an.“
Susanna begann mit vor Nervosität zitternden Fingern, James’ schmutziges, verknittertes Hemd aufzuknöpfen. Wenn sie ihm nur keine zusätzlichen Schmerzen zufügte! Dunkles Haar kräuselte sich zwischen … nun, wie auch immer die männliche Version davon genannt wurde. Noch nie zuvor hatte sie einen Mann mit nacktem Oberkörper gesehen. Trugen Schotten keine Unterwäsche? Oder hatte dieser Mann nicht genug Geld, sich welche nähen zu lassen? Vorsichtig riss sie die Ärmelnaht durch und streifte die
Weitere Kostenlose Bücher