HISTORICAL Band 0272
Wenn dagegen nur ich mitkomme und mich ungesehen bei Ihnen in der Kutsche verstecke, wird der Anschlag wie geplant stattfinden.“
Nachdenklich sah der Earl ihn an. „Sie haben recht, Garrow. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber was ist mit Susanna? Sie wird nicht entzückt sein, an ihrem Hochzeitsabend allein bleiben zu müssen.“
„Unsinn!“, protestierte Susanna, die plötzlich das Zimmer betreten hatte. „Schenk mir auch ein Tässchen ein“, bat sie ihren Vater. „Wenn es dir möglicherweise das Leben rettet, darf mein Herzallerliebster so lange abwesend sein wie nötig. Was hältst du übrigens von diesem Kleid, Vater?“ Sie wirbelte herum. Die Stahlkrinoline ließ ihre Röcke weit ausschwingen.
„Bitte benimm dich, Susanna“, wies der Earl sie zurecht und schenkte ihr eine Tasse Tee ein.
„Wieso dieser Tadel?“ Sie riss die Augen weit auf und mim te die gekränkte Unschuld. „Aus mir spricht die Vernunft selbst – bestätige ihm das, Liebling “, bat sie James.
Dieser nahm es Susanna nicht übel, dass sie ihn mit Kosenamen titulierte. Sie tat es ja nicht, um ihn zu verspotten, sondern um ihren Vater zu provozieren. Das hoffte er zumindest – ganz sicher war er sich dessen aber nicht. „Es ist tatsächlich nur vernünftig, wenn ich Sie begleite, Eastonby“, erwiderte James freundlich. „Ihre Tochter und ich würden uns sonst wochenlang Sorgen machen, ob Sie auch heil nach London gekommen sind. Übrigens, meine Liebe, das blaue Kleid steht Ihnen ausgezeichnet. Es betont Ihre hübschen blauen Augen.“
Diese Frau war gefährlich, erkannte James. Sie war zu klug, als dass er sie nur aufgrund seines Verstandes zügeln und lenken konnte. Nein, er würde auf ihre Zuneigung setzen. Ohne Zweifel wird sie mir in zwei Wochen verfallen sein, wenn ich nur die richtigen Worte zur richtigen Zeit sage.
Susanna wünschte sich, ihre Mutter hätte diesen Tag noch erleben können. Sicher hätte sie liebend gern an der Hochzeit ihres einzigen Kindes teilgenommen. Seit sie vor drei Jahren gestorben war, war Susanna so wütend auf sie gewesen, dass sie über diese Wut fast alle glücklichen Tage vergessen hatte, die sie mit ihrer Mutter erlebt hatte.
Erst jetzt, wo Susanna kurz davor stand, sich an einen vollkommen Fremden zu binden, stand ihr das Bild ihrer glücklich lächelnden Mutter vor Augen. Das war merkwürdig. Schließlich waren es die ehelichen Pflichten gewesen, die sie das Leben gekostet hatte. Lady Eastonbys wiederholte Bemühungen, ihrem Mann einen Erben zu gebären, hatten sie kränker und kränker gemacht. Vielleicht hätte Susannas Mutter die mit mehreren Fehlgeburten verbundenen Anstrengungen und den Kummer über die Totgeburten sogar überlebt, hätte sie nicht als Countess of Eastonby so viele Verpflichtungen gehabt, dass sie sich gesundheitlich nicht hatte schonen können.
Das ist eben das Schicksal einer Frau, hatte ihre Mutter stets behauptet, wenn es ihr wieder schlechter ging. Sie hatte Schwangerschaften und Fehlgeburten als unveränderliches Los einer Frau angesehen. Susanna hatte sich bei ihrer Beerdigung geschworen, auf keinen Fall so zu werden wie sie. Sie hatte gehofft, nie heiraten zu müssen. Und jetzt würde sie gleich vor einen Pfarrer zu treten, um ihr Eheversprechen abzugeben. Derselbe Pfarrer würde nur allzu bald eine Leichenrede an ihrem Grab halten, wenn sie sich nicht vorsah!
Nur ihr eiserner Wille, ihre Arbeit auch in Zukunft fortzuführen, würde ihr die Kraft geben, dies durchzustehen. Wohin es sie auch immer verschlagen würde, sie würde Frauen dazu ermutigen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen und sich von niemandem ihre eigene Meinung verbieten zu lassen. Mit dieser Heirat gebe ich nicht auf, ich gebe auch nicht klein bei, dachte Susanna, denn ich werde meinen neuen gesellschaftlichen Status als Ehefrau zu meinem Vorteil nutzen. Keine Frau sollte einfach darauf warten, was das Schicksal mit sich brachte. Nein, ich werde meine Zukunft selbst in die Hand nehmen, ob verheiratet oder nicht.
„… zu ehren und zu gehorchen …“
Als die Worte des Pfarrers an Susannas Ohren drangen, zuckte sie zusammen, aber sie beherrschte sich. Von den Umstehenden – ihr Vater, der Schotte, der Priester und ein anderer Fremder, den sie als Trauzeugen brauchten – würde niemand begreifen, weshalb sie sich über diese alten Schwurworte so aufregte. Warum müssen nur Frauen gehorchen, hatte sie sich schon oft gefragt und die Konventionen dieser von Männern für
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