Historical Band 298
auf dem Weg hinab in die große Halle. Die morgige Hochzeit würde, so hoffte sie, der erste von vielen Erfolgen. Und sie durfte diese Erfolge nicht gefährden, indem sie zu überstürzt handelte. Als sie ihr eigenes Gemach erreichte, schloss sie die Tür und sah sich einer ihrer Mitverschwörerinnen gegenüber.
„Hast du sie gefunden?“, fragte Margriet, Ruriks Frau.
Kopfschüttelnd ließ Jocelyn sich auf einem Sessel vor der Feuerstelle nieder. „Connor war da.“ Ihr Herz raste noch immer von seinem kurzen, aber hungrigen Überfall.
Margriet nahm auf dem Sessel neben ihr Platz. „Er hat dich erwischt?“
„Er war bereits im Raum, als ich kam, ich hatte gar keine Gelegenheit, nachzusehen.“ Ihr Mann bewahrte alle wichtigen Dokumente in der Kassette im gemeinsamen Schlafgemach auf. Auch die Schriftstücke, die sie unbedingt noch vor der Hochzeit einsehen musste.
„Vielleicht nach dem Abendessen? Er wird mit seinen Gästen beschäftigt sein.“
Als Gemahlin des Lairds und Countess of Douran musste sie an der Seite ihres Gatten bleiben, bis dieser sich zurückzog. Da sie wusste, wie sehr er es genoss, zu feiern und sich mit seinen Gästen, die aus allen Teilen Schottlands stammten, zu unterhalten, war ihr klar, dass es sehr spät werden würde.
Zu spät.
„Ich lasse mir etwas einfallen“, versprach sie.
Connor MacLerie war ein harter Mann, unbarmherzig würde ihn manch einer nennen. Lange Jahre hatte man ihn die Bestie der Highlands genannt. Ihre Ehe hatte ihn verändert, aber nicht so sehr, als dass er seinen Gefühlen stattgegeben hätte, wenn es darum ging, die Angelegenheiten des Clans zu regeln. Entscheidungen wurden getroffen und Bündnisse geschlossen, um das Beste für den Clan zu erreichen, ohne die Wünsche und Bedürfnisse derer zu berücksichtigen, die sich in seiner Obhut befanden … und unter seiner Führung.
Nicht einmal meine, dachte Jocelyn und seufzte.
Manchmal hörte er auf ihren Rat, aber sie wünschte, er würde ihren Vorschlägen mehr Beachtung schenken. Besonders bei Eheverträgen.
Da er nach Sitte und Gesetz das Recht hatte, Ehen für die zu arrangieren, die unter seinem Schutz standen, betrachtete Connor es als unnötig, jemand anderen als die Väter der betroffenen jungen Männer oder Frauen in seine Pläne einzubeziehen. So hielt man es nun einmal seit jeher. Da sie selbst jedoch von den MacLeries praktisch als Braut erworben worden war, kannte sie die Schwierigkeiten, die derartige Arrangements für die Frauen mit sich brachten.
Nachdem sie bei einigen dieser Bündnisse Bedenken geäußert und er diese ignoriert hatte, obwohl ihre Argumente stichhaltig gewesen waren, war Jocelyn klar geworden, dass es nichts brachte, ihn direkt mit ihren Bedenken zu konfrontieren.
Daher nun diese weibliche Verschwörung.
Aber ohne die Schriftstücke, die Connor in der Schatulle aufbewahrte, würde sie für die morgige Hochzeit nicht vorbereitet sein. Sie hatte keine Möglichkeit gehabt, den Ehevertrag zu prüfen, der Connors Nichte mit dem Erben des Nachbarclans vermählen sollte. Oder um herauszufinden, ob noch weitere Eheschließungen geplant waren.
Auch hatte Jocelyn nicht sehen können, ob ihr Mann die Hand ihrer Tochter längst jemandem versprochen hatte. Sie erschauerte und fing Margriets besorgten Blick auf.
Obwohl Margriets Töchter weder Titel noch Landbesitz erbten, galten sie als gute Partien wegen der Beziehungen ihres Vaters zum Earl of Orkney und dem Familienvermögen, das ihnen zufiel. Margriet war ebenfalls als Braut verkauft worden, auch wenn sie in ihrem Ehemann ihre große Liebe gefunden hatte. So teilte sie die Sorgen Jocelyns über die Zukunft ihrer Töchter. Also hatte sie zugestimmt, sie in ihren Bestrebungen zu unterstützen.
Ebenso Duncans Frau Marian, die auch eine Tochter im heiratsfähigen Alter hatte. Und da ihre und Connors eigene Tochter Lilidh sich ihrem fünfzehnten Geburtstag näherte, wurde die Angelegenheit immer prekärer – es war bald an der Zeit, sie zu verloben, und Jocelyn sorgte sich um das Schicksal ihrer Ältesten.
Der Steward ließ nach ihr schicken mit der Bitte, ihn bei den Vorbereitungen für das Fest zu unterstützen. So verging der Rest des Tages wie im Flug, ohne dass Jocelyn Zeit hatte, sich zu überlegen, wie sie an die Aufzeichnungen des Clans kommen könnte. Je später es wurde und je näher der Abend rückte, desto unbehaglicher wurde ihr.
Nie während der zwei Jahrzehnte ihrer Ehe hatte sie Connor belogen oder in die
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