Historical Collection 04
Poststation ‚La Belle Sauvage‘ aus und wollte herausfinden, wo die Kutsche für die nächste Reiseetappe abfuhr. Eine vermeintlich respektable Dame bot sich an, es mir zu zeigen“, erklärte Laurel mit vollem Mund. „Bevor ich wusste, wie mir geschah, wurde ich in eine Kutsche verfrachtet, deren Vorhänge zugezogen waren.“ Sie schluckte mühsam, da wieder das Entsetzen in ihr hochstieg, das sie damals erfasst hatte. „Ich habe jemanden gebissen.“
„Gut“, sagte Patrick und beugte sich vor, um ihr Glas aufzufüllen. „Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren und behauptet habe, du wärest dumm. Diese Leute können sehr überzeugend sein, und noch dazu sind sie absolut skrupellos. Es war nicht deine Schuld. Also brachten sie dich hierher, und als du mich sahst, nahmst du natürlich das Schlimmste an.“
„Ich dachte …“ Lüg ihn an, verrate ihm nicht, dass du an ihm gezweifelt hast! warnte sie eine innere Stimme. Aber sie konnte ihn unmöglich anlügen. „Ich dachte zuerst, du seiest gekommen, um mich zu retten. Dann wurde mir klar, wie unwahrscheinlich das war. Und dann dachte ich, du seiest wie alle anderen Männer dort, die nur das eine … Es tut mir so leid.“
„Das braucht es nicht. Ich verstehe dich.“ Ihre Blicke trafen sich. „Du warst böse auf mich. Ich war auch wütend auf dich. Und gleichzeitig unendlich erleichtert. Einen Moment hatte ich Angst, ich würde es mir nicht leisten können, den Preis für dich zu bezahlen.“
„Du gehörst zu den Männern, die nicht aufgeben. Irgendetwas wäre dir bestimmt eingefallen.“ Der Wein wärmte sie von innen und verlieh ihr neue Kraft. Und die würde sie gewiss brauchen, das ahnte sie. Ihre Zukunft stand auf dem Spiel. Sie gehörte Patrick – er hatte sie gekauft. Aber sie war niemandes Sklavin und er kein Mann, der eine Frau zwingen würde, bei ihm zu bleiben, selbst wenn sie ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte.
„Was genau tust du? Du verbringst doch nicht die ganze Zeit damit, vermisste Frauen aufzuspüren, oder?“ Sie lächelte. „Du warst sehr diskret in Martinsdene.“
„Ich besitze ein kleines Gut in der Nähe von Falmouth.“ Patrick blickte in sein Weinglas, als könnte er dort seine Heimat sehen. „Es bringt nicht sehr viel ein, obwohl ich hart arbeite, um das zu ändern. Als jüngster Sohn habe ich keine Aussichten auf ein Vermögen. Ich möchte für die Regierung arbeiten, aber dafür brauche ich einen Gönner und einen guten Ruf. Deshalb stelle ich mich als eine Art privater Ermittler für jeden Mann von Rang zur Verfügung, der meine Dienste benötigt. Dieser Fall allerdings erweist sich als besonders schwierig, sehr viel komplizierter als die meisten anderen“, fügte er ernst hinzu.
„Du wirst ihn lösen“, sagte sie bestimmt. „Du bist einfach nur sehr spät hinzugezogen worden, um das Geheimnis um die Schwestern Shelley schnell zu enthüllen, mehr nicht.“ Er nickte zwar, aber man sah ihm an, dass er ihr nur halbherzig zustimmte. Offensichtlich war er ein Mann, der sehr hohe Ansprüche an sich selbst stellte. „Deine Zukunft liegt also klar und deutlich vor dir. Wie es aussieht, hast du alles genau geplant, Patrick Jago, nicht wahr?“
„Oh, ja“, meinte er leise, immer noch seinen Wein betrachtend. „Mein Gut aufbauen, mehr Land erwerben, einen Verwalter einstellen, die Gunst weiterer Gönner gewinnen. Ich habe die Lösung für alle meine Probleme gefunden“, fügte er hinzu, als spotte er über sich selbst.
Und die richtige Frau finden. Die Worte hingen unausgesprochen in der Luft. Und diese Frau kann ich nicht sein, dachte Laurel bedrückt. Die Vorstellung, Patrick könnte eine andere heiraten, schnürte ihr die Kehle zu. Selbstverständlich kam sie nicht als seine Braut infrage – eine Waise aus dem niederen Adel ohne Geld, ohne Verbindungen oder den geringsten Einfluss. Von Anfang an war es nur ein Märchen gewesen – voller Unholde und Drachen und mit einem Ritter, der sie aus der Not rettete.
Die Uhr schlug vier. Laurel sah auf, noch halb in Gedanken versunken.
„Zeit, von hier zu verschwinden.“ Patrick erhob sich und griff nach seinen Sachen.
„Wo genau befinden wir uns eigentlich?“ Auch Laurel stand auf und schlüpfte in das dünne Kleid. Es war fast durchsichtig, aber wenn sie das Schultertuch darüberschlang, würde das nicht so sehr auffallen.
„In einer Gasse gleich neben Almack’s . Mitten im eleganten St James’s.“ Patrick band sein Krawattentuch zu einem
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