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Historical Collection Band 01

Historical Collection Band 01

Titel: Historical Collection Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MARGUERITE KAYE BRONWYN SCOTT MICHELLE WILLINGHAM ELIZABETH ROLLS
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Die wiederholten, nur allzu deutlichen Hinweise seiner Tanten waren völlig überflüssig. Er wusste selbst, was zu tun war. Er wusste es, seit er am Morgen seines letzten Geburtstags mit schmerzendem Kopf und trockenem Mund aufgewacht war und sich im Spiegel kaum erkannt hatte. In jener Sekunde war ihm klar geworden, dass er als Viscount Verantwortung trug, dass es Menschen gab, die von ihm abhängig waren, dass er endlich erwachsen werden musste.
    Everett blieb am Eingang der Passage stehen. Ihm war, als höre er jemanden schnarchen. Er schnupperte vorsichtig. Es roch unangenehm sauer. Welch schreckliche Gegend! Dabei hatte Lionel noch vor sechs Jahre mit Loveday, die ihm den Haushalt führte, in einer hübschen Wohnung in Bloomsbury gelebt. Sicher, es hatte sich um kein besonders elegantes Haus gehandelt, aber die Zimmer waren nett und bequem eingerichtet gewesen. Und Lionel hatte alles problemlos von seinen Einkünften als Maler finanzieren können. Warum, um Himmels willen, lebte er jetzt hier?
    Zögernd ging Everett weiter. In der Passage war es erstaunlich dunkel. Trotzdem erkannte Everett jetzt, dass das Schnarchen von einem Menschen kam, der in der Nähe der feuchten Wand inmitten alter Zeitungen auf der Erde lag und den er zunächst für einen Haufen weggeworfener Kleidungsstücke gehalten hatte.
    Wegen des unangenehm sauren Geruchs atmete er flach und ging rasch weiter. Dennoch konnte er, als er an dem schlafenden Mann vorbeieilte, deutlich dessen Gin-Fahne riechen. Rasch trat er auf den Hof. Im Dämmerlicht des hereinbrechenden Abends wirkten die Häuser noch trostloser. Um überhaupt aufrecht stehen zu können, schienen sie sich aneinander zu lehnen. Everett versuchte sich einzureden, bei Tageslicht sähe alles besser aus. Vergeblich. Alles hier würde immer feucht und ärmlich wirken. Und an einem regnerischen Abend wie diesem schien jede Kleinigkeit Verzweiflung auszudrücken.
    In einer offenen Tür stand ein Junge und starrte ihn an. Als Everett sich dem Knaben näherte, flammte in dessen trüben Augen Angst auf. Er blieb stehen. „Hallo, ich will zu Lionel Trehearne.“
    Der Junge zuckte die Achseln.
    Eine zerzauste rotgefleckte Katze schlich vorbei. Im Maul trug sie eine Ratte, die beinahe ebenso groß war wie sie selbst.
    Everett wandte keinen Blick von dem Kind ab, als er die Hand in die Tasche steckte und begann, mit ein paar Münzen zu spielen. Klirrend schlugen sie gegeneinander. „Ist das deine Zunge, die die Katze gestohlen hat?“
    Der Junge schüttelte den Kopf, und vielleicht glomm einen Moment lang so etwas wie Humor in seinen Augen auf. „Nee, ne Ratte, ne dicke fette Ratte.“
    „Stimmt. Und wie ich höre, kannst du tatsächlich sprechen. Also, wo wohnt Mr Trehearne?“ Wieder klimperte er mit den Münzen.
    Der Knabe hob scheinbar gelangweilt den Arm und wies auf eine Tür auf der anderen Seite des Platzes hin. Ein paar schiefe Stufen führten zu ihr hinauf. „Da vielleich’. Sons’ wohnt hier keiner, der nen Kerl wie Sie kenn’ könnt’.“
    „Danke.“ Everett warf dem Jungen eine Münze zu.
    Überraschend geschickt fing er sie auf, und schon war sie irgendwo in den dreckigen Lumpen, mit denen er bekleidet war, verschwunden.
    Nachdem er den Platz überquert hatte, stieg Everett vorsichtig die hölzernen Stufen hinauf. Sie gaben seltsame Laute von sich, so als wollten sie dagegen protestieren, dass jemand auf sie trat. Tatsächlich fürchtete Everett, die Konstruktion könne jeden Augenblick zusammenbrechen. Doch sie hielt stand, und dann hatte er die Tür erreicht, die aus verschiedenfarbigen Brettern zusammengenagelt war. Er musterte sie misstrauisch und klopfte dann. Da sie nicht gleich in ihre Teile zerfiel, konnte er wohl darauf hoffen, dass Lionel sie öffnen würde.
    Wenn er mich nur nicht gleich die Treppe hinunterwirft, ohne mich ausreden zu lassen, dachte Everett.
    Nach einer Weile hörte er, wie sich leichte Schritte näherten. Dann fragte jemand: „Wer ist da?“
    Sein Herz machte einen Sprung. Das war nicht der männliche Bariton, mit dem er gerechnet hatte. Er kannte diese sanft klingende helle Stimme, die ihn unweigerlich an ein Musikstück erinnerte. In seinem Kopf ging plötzlich alles durcheinander, und einen Moment lang brachte er kein Wort über die Lippen. Dann war da nur noch ein einziger Gedanke: Loveday!
    Loveday, dachte er, sie ist hier! Und im gleichen Augenblick überrollte ihn eine Woge des Zorns.
    „Ich bin es, Everett“, brachte er endlich

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