Historical Collection Band 03
sie sich bloß gedacht? Von ihrem Zorn getrieben, hatte sie alle Vernunft vergessen und beinahe einen Fremden verführt. Welcher Mann wollte eine Frau umarmen, die sich an seinen Hals warf?
„Es tut mir leid“, wisperte sie, „du hast recht, wir müssen aufhören.“
Schweigend sah er sie an, seine halb geschlossenen Augen verrieten nichts von seinen Gedanken.
Von ihrer Nacktheit zutiefst beschämt, schlüpfte sie in ihr Hemd. Verlegen errötete sie. Mit ihrem rebellischen Verhalten schadete sie nur sich selbst. Sie hatte ihre Schwester bestrafen wollen – insbesondere, weil Honora zunächst fast entschlossen gewesen war, Ademar zu heiraten.
Stattdessen habe ich mir eine unsichere Zukunft eingehandelt, dachte Katherine. Vielleicht würde ihr Vater sie ersuchen, Ademar zu heiraten. Könnte der Ritter nach dieser Nacht gewisse Rechte beanspruchen? Und war er der Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte?
Ademar hielt ihr die Tür auf. Nun war Katherine vollständig bekleidet, und sie wirkte so kühl und gefasst, als wäre nichts zwischen ihnen geschehen. „Du musst mich nicht zu meiner Kammer begleiten“, betonte sie, ohne ihn anzuschauen.
Natürlich würde er sie zu so später Stunde, lange nach Mitternacht, nicht allein durch die Burg gehen lassen. Er umfasste ihren Arm, mit festem und – wie er hoffte – beruhigendem Griff. So viel wollte er ihr sagen. Aber wie zuvor vermochte er seine Gedanken nicht zu entwirren.
Als sie den Korridor erreichten, der zu Katherines Kammer führte, sah er schattenhafte Gestalten bei der Tür. Die Hand über dem Schwert an seiner Seite blieb er stehen. „Warte!“
Katherine gehorchte und lehnte sich an die Wand. Ebenso wie Ademar erkannte sie die Krieger. „Das sind John St. Legers Männer“, flüsterte sie erschrocken. „Was machen sie um diese Zeit vor meiner Kammer?“
Auch ihm missfiel die Anwesenheit der Bewaffneten. John St. Leger war der neue Baron of Ceredys und Honoras älterer Stiefsohn. Diesem Mann misstraute Ademar, und seine Abneigung war in der letzten Woche noch gewachsen.
„Um ihm zu entrinnen, ist Honora aus Ceredys geflohen“, erklärte Katherine. „Jetzt wünscht er ihre Rückkehr auf das Landgut.“
„Nicht nur das“, erwiderte Ademar grimmig. Er hatte gesehen, wie der Baron die Witwe anstarrte. Mochte der Mann auch durch Honoras Einheirat in seine Familie mit ihr verwandt sein – dass er sie begehrte, war offensichtlich.
Unter diesen Umständen fand Ademar die Gegenwart der St. Leger-Kämpen äußerst bedenklich, obwohl sie nichts verbrochen hatten. Er suchte nach den richtigen Worten. „Willst du – das heißt, ich könnte … Wenn du es wünschst, bewache ich deine …“
Katherine schenkte ihm ein schwaches Lächeln und legte einen Finger auf seine Lippen. Verlegen zuckte er zusammen. Am liebsten hätte er sich die stotternde Zunge abgebissen.
„Nein, du musst nicht vor meiner Tür Wache halten“, murmelte sie so dicht neben seinem Gesicht, dass er ihre Wange an seiner spürte. „Schicke die Leute mit einer Warnung weg, das wird genügen.“
„Schon in wenigen Stunden …“, er zwang sich, langsam zu sprechen, „… bricht der Tag an. Ich bleibe hier.“
Um seine Schultern zu berühren, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und verleitete ihn beinahe zu einem weiteren Kuss. Nach den gemeinsamen Stunden in dieser Nacht fühlte er sich noch unsicherer als zuvor. Bedrückt blickte er einer Zukunft entgegen, die innerhalb weniger Tage wie eine Handvoll Würfel durcheinandergewirbelt worden war.
Jetzt wünschte er inbrünstiger denn je, Katherine zu heiraten. Wenn sie auch einen anderen liebte, den sie nicht für sich gewinnen würde, wollte er nicht auf sie verzichten.
Von solchen Gedanken musste er sich ablenken. Zielstrebig eilte er zu den Kriegern, starrte sie der Reihe nach an und zog sein Schwert – eine unmissverständliche Drohung. Nur ein einziges Wort sprach er aus, in einem Ton, der die Warnung deutlich ausdrückte.
„Verschwindet!“
„Wir haben die Order, Lady Honora zu geleiten …“, begann einer der Männer.
Blitzschnell hielt Ademar ihm die Spitze seines Schwerts an die Kehle, ritzte die Haut auf und wiederholte den Befehl. Da wich der Kämpe zurück. Zum Zeichen seiner Kapitulation hob er die Hände. Auch seine Kameraden suchten das Weite, ohne zu protestieren.
„Danke.“ Katherine griff nach dem Knauf ihrer Tür, und Ademar neigte den Kopf, ehe er in den Schatten trat.
Im flackernden
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