Historical Collection Band 03
ein zusammengerolltes Seil in seiner Hand. „Wozu brauchst du das?“
Nachdem er seine Absicht stockend erklärt hatte, starrte sie ihn bestürzt an.
„Bist du verrückt geworden?“
In seinen Augen erschien ein harter Glanz, der seinen Protest bekundete. „Das wird mir gelingen.“
„Unmöglich! John wird Honora verletzen, und sie kann nicht …“ Ihre Kehle verengte sich.
„Was kann sie nicht?“, fragte er in sanftem Ton.
„… Ewan einholen“, vollendete sie ihren Satz. „Schon im Morgengrauen brach er auf. Und ich hatte ihr gesagt, sie soll ihn begleiten.“
Ademar schlang den Strick um eine Schulter. „Tatsächlich?“ In seiner leisen Stimme schwangen Staunen und Neugier mit.
„Ja, denn er liebt sie so, wie er mich nicht liebt“, bekräftigte sie – unfähig, ihr Selbstmitleid zu verbergen. Das Verlangen, das sie in Ademars Augen erkannte, ließ sie erschauern, als hätte er sie berührt.
„Dann ist er ein Narr, nicht wahr?“
Sie vermochte ihren Blick nicht von ihm loszureißen. So wie in der vergangenen Nacht erregte er sie. In ihrem Innern kämpfte wachsende Verwirrung gegen Zielstrebigkeit.
Dann tastete sie nach dem Deckel der Truhe und öffnete ihn. „Glaubst du wirklich, du kannst Honora befreien?“
Er nickte. „Hoch zu Ross wird sie dann Ewan mühelos folgen.“ Als er die Zweifel in ihrer Miene las, fuhr er fort: „Vertrau mir. Und sobald … dein Vater hier eintrifft, wird John St. Leger seine gerechte Strafe erleiden.“
Mit beiden Armen hob sie das Kettenhemd aus der Truhe und schwankte unter seinem Gewicht. „Bring das meiner Schwester. Wenn sie sich damit tarnt, kann sie aus dem Burghof gelangen.“
Ademar nahm die Rüstung entgegen, schob seine andere Hand unter Katherines Schleier und schlang seine Finger in ihr Haar. „Warte hier auf mich“, bat er und hauchte einen Kuss auf ihren Mund.
Doch die kurze Berührung seiner Lippen genügte ihr nicht. Viel mehr von ihm wollte sie kosten, sich in seinen Küssen verlieren, seinen kraftvollen Körper spüren, fest und erregend an ihren gepresst.
Nachdem er sie allein gelassen hatte, stellte sie sich vor, was alles schieflaufen könnte. Und obwohl es vielleicht unklug war, geduldete sie sich nur ein paar Minuten, ehe sie ihm folgte.
Ademar schlang das dicke Seil um eine der steinernen Zinnen schräg oberhalb des Fensters, hinter dem John St. Leger die Schwester Katherines gefangen hielt. Dann kletterte er an dem Strick hinab und hoffte, der geflochtene Hanf würde sein Gewicht tragen. Bevor er zu seinem Ziel gelangte, ließ er die Rüstung für Honora in den Hof fallen, in eine Ecke, wo glücklicherweise keine Geschäftigkeit herrschte. Wenn er auch bezweifelte, dass sie mit dem schweren Kettenhemd zurechtkommen würde – es bot ihr die einzige Möglichkeit, unauffällig aus der Festung zu reiten.
Alle Muskeln angespannt, näherte er sich entlang der Mauer auf einem Sims dem Fenster. Dabei plagten ihn Schuldgefühle, denn er hatte Katherine verschwiegen, was er wusste. Wie er vom Seneschall der Burg erfahren hatte, plante John mit Nicholas of Ardennes’ Erlaubnis, Honora nach Ceredys zurückzubringen.
Mit allen Mitteln.
Der Baron zürnte ihr, weil sie Katherine die Hoffnung auf die ersehnte Heirat geraubt hatte. Nun wollte er seine eigenwillige ältere Tochter bestrafen. Warum er sie so erbarmungslos behandelte, verstand Ademar nicht, und er würde sein Bestes tun, um sie zu retten. Wenn er Glück hatte, würde niemand ernsthaften Schaden nehmen.
Als er das Fenster erreichte, wurden die Läden polternd aufgestoßen, und er zuckte verblüfft zurück, um nicht getroffen zu werden. Honora starrte ihn an. „Was macht Ihr denn hier?“ Wild zerzaust stand ihr kurz geschnittenes Haar vom Kopf ab.
Ademar umklammerte das Seil noch fester und schwang sich in die Kammer, wo er Honoras Bewacher bewusstlos am Boden liegen sah. Um den Hals des Mannes war ein Leinenstreifen geschlungen. „Eure Schwester erzählte mir, was … geschehen war. Und sie dachte … vielleicht braucht Ihr Hilfe.“
„Warum habt Ihr meinen Vater nicht verständigt?“
Aus ihren Augen sprach unverhohlene Verzweiflung, und Ademar suchte bedrückt nach geeigneten Worten. Die Wahrheit wollte er ihr nicht verraten. Honora war schon unglücklich genug, auch ohne die Information, ihr Vater habe diese grausame Methode gewählt, um sie zu bestrafen.
„Nun, um ehrlich zu sein, ich … ich fand, es sei interessanter, Euch auf meine Art zu b…
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